Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
unerwartet erscheinen zu sehn. Doch klärte er sie gleich auf. Sie gab zu, daß Kathi spät nach Hause gekommen sei.
    »Aha, sie hat wieder eine furchtbare Dummheit gemacht,« sagte Rother stirnrunzelnd hin. Sie war noch nicht aufgestanden. Als die Wirthin klopfte und ihr ankündigte, Rother wolle sie um jeden Preis sprechen, – – verrieth ihre antwortende Stimme Aerger und Furcht. Nach kurzem Parlamentiren wurde ausgemacht, daß er in einer halben Stunde wiederkommen solle, bis sie sich angezogen habe.
    Er verbrachte die Zwischenzeit in einem nebenan liegenden Budikerkeller. Die Leute dort, Arbeiter und kleine Handwerker beim Frühschoppen und Morgenimbiß, starrten ihn fragend und verwundert an, wie er einen »Bittern« nach dem Andern hinuntergoß. Er besah sich im Spiegel; wie bleich er war! Er fühlte Beklemmung im Herzen oder vielmehr in der Magenhöhle – man verwechselt ja so oft die innigsten Gefühle ... »Was wollen Sie denn so früh?« fragte sie mit einer Stimme, in der zugleich Zorn und etwas wie Furcht sich mischten. Da er sie nur fest anschaute – sie hielt die Thür in der Hand –, fuhr sie höchst ungnädig fort: »Ist dies eine Zeit, Besuche zu machen?« Er zuckte mit den Achseln und trat ruhig ein, indem er sie stets noch fest fixirte. Sie trug einen losen Schlafrock und um den bloßen Hals hatte sie ein schwarzes Tuch geschlungen. Die Haut des Halses erschien gelblich und nicht fest genug. Seltsam, daß Rothers Künstlerauge dies in einem solchen Augenblick bemerkte. Sie sah überhaupt sehr schlecht aus und hatte – »Sieh da, es ist also richtig!« sagte Rother laut, indem er sie fest betrachtete.
    »Was?« fuhr sie unwirsch auf, »hören Sie nicht auf, mich zu quälen?«
    »Blaue Ränder um die Angen!« fuhr er finster fort, »das stimmt.«
    »So, hab i blaue Ränder?« Es zuckte humoristisch um ihre Lippen. »Jo, dafür kann i nix. Da müssen's dem lieben Gott bestellen, er soll's anders einrichten.«
    »Wie?« machte er zurückfahrend, »wollen Sie damit sagen –«
    »Nun, was haben's denn eigentlich wieder?«
    »Gestern im Sedan-Panorama, nicht wahr?« herrschte er sie an. Sie stutzte und sagte ernst:
    »Ja, da war ich. Aber das konnt' ich doch nicht abschlagen. Wissen's, das war mein Prinzipal. Er traf mich auf der Straße und drang so in mich – ich mußt' mitkommen.«
    »So und da hast Du zärtlich umarmt mit ihm gesessen?« Sie fuhr entrüstet auf, mit bebenden Lippen.
    »So, sieh einmal diese Gemeinheit! Am Buffet hab ich mit ihm gesessen, die Buffetdame kann's Ihnen bezeugen, ganz offen; und nachher kam sein Freund, der Horether Buchsing, dazu und dessen Frau. Ach, es ist empörend, diese Verleumdungen! Als ob alle Welt nur mich zu beobachten hätte.«
    »So ist das wirklich..« stammelte er unschlüssig.
    »I geb Ihn' mein heiliges Ehrenwort!« rief sie, indem sie mit der abwärts gekehrten Handfläche eine bezaubernde Bewegung machte, die ihr eigenthümlich war. Übrigens, glauben's auch nicht, wenn Sie wollen. I weiß was wahr ist, und das genügt mir.«
    »Es ist ja möglich, daß Sie wahr reden. Aber ich will mich doch von Ihnen trennen. Und darum bitt ich Sie, geben Sie mir zurück, was Sie brieflich von mir haben.«
    »Ich hab nichts mehr,« sagte sie störrig, indem sie sein Auge vermied.
    »Das haben Sie damals auch gesagt. – Ich will es,« betonte er, indem er sie stirnrunzelnd maß. Ueber ihr Gesicht ging es wie eine convulsivische Zuckung. Dann öffnete sie ihren Koffer und kramte darin: »Hier! Da! Nehmen Sie Alles! Weiter nichts mehr da. Hab Alles verbrannt!« Sie, öffnete einen Parfümeriekasten aus Alfenidesilber.
    Und siehe da, er fand dort einige Zeichnungen, die er vor seiner Abreise ihr hinterlassen, hingesudelte Kritzeleien, die sie aber doch sorgfältig bewahrt hatte, und einige Zeilen von seiner Hand aus früherer Zeit. Die Papiere, ganz von Parfümgeruch durchsättigt – ohne eine Wort zu sagen, nahm er Alles an sich. Sie stand dabei mit gekreuzten Armen, ohne sich zu rühren, den starren Blick auf den Kasten geheftet.
    »O mein Gott!« rief er plötzlich aus. »Ahnen Sie denn gar nicht, was ich leide? Um Sie leide?«
    »Nun, was leiden's denn?« fragte sie schnippisch, indem ein bitteres Lächeln ihre Lippen schürzte.
    »Was, ja was! Ich habe nie so etwas gefühlt, nie. Das kennen Sie eben nicht, das ist die Liebe. Weiß Gott, wenn Sie da draußen in Lumpen auf der Straße umherirrten oder Ihr Gesicht von Pocken zerrissen würde, ich liebte Sie

Weitere Kostenlose Bücher