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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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noch grade so. Ach ich rede so hin – das läßt sich nur fühlen!«
    Sie sah starr ins Weite und war sehr blaß. Ihr Auge brannte wie von unvergossenen Thränen, mit einem trüben Glanz.
    »Haben Sie denn nun die Stellung?« fragte er nach einer Pause. Sie bestätigte ihm trocken, daß sie in ein Café an der Jannowitzbrücke bis zum ersten September eintreten werde, dessen Besitzer sie schon lange bestürmt habe, zu ihm zu kommen. »Und soll ich Sie dort besuchen?«
    »Wie Sie belieben,« erwiderte sie ernsthaft nach einer Pause. »Ich fordere Sie nicht dazu auf. Es kann ja doch nur Schlimmes..« Sie wandte sich ab. Er betrachtete sie noch einmal fest und schüttelte den Kopf.
    »Ja ja, die blauen Ränder um die Augen, Woher kommt das?« Sie zuckte ungeduldig die Achseln.
    »Die Scham verbietet..« Unwillkürlich fiel sein Auge auf die Waschschüssel, – es lag ja noch Alles unaufgeräumt umher – die er bisher noch nicht bemerkt hatte. Da war ihm mit einmal Alles klar und mit einem gewissen »Ach so!« nahm er Abschied. Beide nickten sehr schweigend zu.
    Wie hat die Natur das Weib doch übervorgetrieben. Zu wie falschen Schlüssen giebt ihr physischer Zustand Veranlassung! Der Mann ist oft aus Unbewußtheit ungerecht. Was ist überhaupt Wahrheit! – Wenn Jemand mit der Reinheit und Treue eines Weibes spielt, so kann man achselzuckend zweifeln. Und wenn man ein Weib der Untreue bezüchtigt, ganz ebenso. Nicht nur die Beweise sind immer strikt überzeugend, seien sie auch handgreiflich.
    So schoß es Rother durch den Kopf, als er heimkehrte. Er fing an, ein Lebensphilosoph zu werden – wenigstens war er auf dem rechten Weg dazu. Wie alle wahren Weisen, wenn sie Andern vorwerfen, sie ärgerten sich noch zu viel über Thorheit und Gemeinheit der Welt, bewahrte er natürlich die gleiche Nervosität nichtsdestoweniger. Ein Windstoß plötzlicher Erregung konnte das Kartenhaus seiner neuerworbenen Fassung zusammenblasen.
    Er wartete volle acht Tage, während welcher Zeit er mit rasenden Eifer arbeitete. Endlich ließ es ihm keine Ruhe mehr. – Das Erscheinen des Stahlstichs nach dem Bilde war immer noch von ihm verzögert worden. Dennoch schienen durch jenes unvorsichtige Versehen einzelne Abzüge in den Handel gekommen. Ihn quälte die Ungewißheit, ob Kathi von einem ihrer zahlreichen Verehrer vielleicht darüber
au fait
gesetzt sei. – Am achten Tage ließ es ihm keine Ruhe mehr. Er nahm ein Bad, das in der Zerstreuung ein heißes wurde, trotzdem nur kalte Bäder seinem gereizten Nervensystem nützen konnten, und setzte sich auf die Stadtbahn
via
Jannowitzbrücke. Als er das betreffende Lokal gefunden, zu seiner lebhaften Verwunderung von Kathi keine Spur! Auch die Kellner wußten absolut nichts von ihr zu melden. Er eilte in umliegende Lokale – nichts, aufs nächste Polizeiamt – keine Ahnung. Er fuhr wieder zurück nach dem Café Bammer. Auch dort wußte Niemand von irgend etwas. Nur wurde erzählt, sie sei schon in Hamburg und der Kohlrausch sei überall mit ihr gesehen worden. »Einige sagen,« bemerkte der grienende Kellner, »er habe sie gleich als Frau mit 'rüber genommen.«
    »Als Frau? Sie meinen, daß er sie heirathen wolle?«
    Der Kellner fiel vor Erstaunen bald um. »Heirathen? Wer heirathet denn solch communes Mensch?« Rother biß sich auf die Lippen und erbleichte. Wenigstens ich jetzt die Wahrheit erfahren, dachte er. Wahrscheinlich ist sie setzt auf und davon. Jedenfalls muß ich die Wirthin sprechen.
    Er hatte ein Schnitzel heruntergeschlungen. Ein galliger Geschmack stieg ihm im Munde auf. Der zehrende Stimm erstickte ihn beinah. Es war unerträglich heiß; sein eleganter Anzug wurde mit Staub berieselt von heftigen Windstößen, die hier und da über den Boden fegten. Hitze mit schneidendem Wind – ein Bild seiner eignen Gemüthsstimmungen ...
    Zu seinem Erstaunen rief die Wirthin, sobald sie seiner ansichtig wurde, mit ernstem Gesicht »Ich werde sie rufen. Bitte, treten Sie ein!«
    »Wie, ist sie noch hier?« fragte er unsicher und zögernd.
    »Ja gewiß. Gedulden Sie sich ein wenig, ja?«
    So saß er wieder auf der alten Stelle. Auf dem Tische lagen wieder die Bücher umher, die sie mit dem Geschmack einer Salondame arrangirt hatte. Der »Trompeter von Säkkingen«, Karl Stielers Hochlandslieder, die »Lurlei« von Julius Wolff, daneben ein »Modemagazin« das stark nach Parfüm duftete. Auf der Kommode stak im Wasserglase ein Rosenstrauß: Als sein Auge darauf fiel, erkannte er den

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