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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Geniren Sie sich nicht, liebes Kind, und kommen Sie in die Arme Ihres Sie brünstig liebenden Mayer.« Kathi schwankte zwischen Lachen und Wuth, indem sie ausdrucksvoll die schwungvolle Werbung vortrug; die Flügel ihrer klassisch geschnittenen Nase bebten nervös.
    »Nun und was hast Du ihm geantwortet?«
    »O, ich sage Dir.. na, den Brief wird er nicht hinter den Spiegel stecken.«
    Es war so dunkel geworden, daß sie mittlerweile die Lampe anzünden mußte. »Ich hab' Durst,« sagte sie »der Hunger vergeht mir vor Ärger. Ich laß mir von unten ein Seidel holen – willst auch eins haben? Ja, thu mir den Gefallen, kannst mal bei mir zu Gast sein.«
    So saßen sie gemüthlich noch eine halbe Stunde und stießen auf treue Kameradschaft an. Aber während er auf sie einredete, versank sie in tiefe Gedanken. Grade so kam ihre außergewöhnliche Schönheit zur besten Geltung. Aber als er plötzlich sagte: »Wie edel und gut Du jetzt aussiehst!« da lachte sie auf und es war kein schönes Lachen. – Man verabredete sich am nächsten Freitag zu treffen. Er wollte absichtlich eine so lange Zeit verstreichen lassen bis zum nächsten Wiedersehn. Der Contrakt mit dem Hamburger Wirth war wirklich abgeschlossen; er lief auch bis zum 1. Januar; sie hatte ihm den Contrakt vorgelesen, ihm auch gleich die Hamburger Adresse aufgeschrieben. Am 1. September sollte sie die Stelle antreten. Es war ihm ja aus verschiedenen Gründen nur zu recht. Rother konnte bis dahin die erste Oeffentlichkeit passirt haben, während sie fern blieb.
    Als er nach Hause wanderte, fiel ihm wieder die Unveränderlichkeit des ganzen Verhältnisses centnerschwer zu Herz. Nun, sie wollte es ja nicht anders; bei den Umständen gegen sie war ihre zeitweilige Entfernung auch nöthig und für Rother selbst so angenehm; auch dir Probezeit für die gegenseitige Neigung schien vernunftgemäß. Und doch! Warum durfte er nicht offen sie an sein Herz drücken, der ganzen Erde trotzend! Konnte er denn überhaupt sofort heirathen? Was für verfahrene Verhältnisse, was für unheilschwangere Widersprüche!
     
    Als er am Freitag dorthin fuhr, kaufte er unterwegs ein Rosenbouquet. Es war ihm doch immer etwas beklemmend, in diese, so ganz der westlichen Cultur entrückten Stadttheile den Zug nach dem Osten anzutreten. Um so unerfreulicher wirkte es natürlich, als die Wirthin ihm ein Billet Kathis einhändigte:
     
    »Herr Rother, leider kann ich Sie heute nicht sprechen, weil ich Nachricht bekomme, betreffs einer Stelle welche ich während der drei Wochen wahrscheinlich noch annehme. Näheres nächstens. Mit Gruß
    Kathi Kreutzner.«
     
    Eduard wunderte sich ein wenig, dachte sich aber nichts Arges dabei, und ließ seinen Rosenstrauß in ihrem Wasserglase stehn. Angenehm war es ihm natürlich nicht, den weiten Weg aus dem Vorstadtviertel zurückmachen zu müssen. Dabei gerieth er halb zufällig in die Nähe des Café Bammer und trank dort seine Mélange, indem er eine heitere zufriedene Miene zur Schau trug. Ziemlich spät erschien plötzlich der elegante Wirth und indem er »Herrn Professor« höflich grüßte, warf er lachend hin:
    »Wollen Sie die Kathi sehn? Die sitzt im Sedan-Panorama mit dem Kerl da aus Hamburg zusammen.«
    »Ach was?« machte Jener gleichmütig, aber er wurde bleich wie der Tod. Bammer fuhr fort:
    »Ich schlendre da ganz zufällig hinein. Und wen find ich? Meine Kathi! Zärtlich umschlungen sitzt sie in einer Nische mit dem da zusammen. Sie erschrak mörderlich, als sie mich sah; wollte sich noch ihr Haar in die Stirne streichen, um sich unkenntlich zu machen. Aber ich lachte laut auf und ging an Beiden vorbei.«
    »Nu, was wird da sein!« Rother ermannte sich zu vertrauensvoller Selbstüberwindung. »Das ist ja wohl ihr neuer Prinzipal. Dahinter braucht noch nichts Schlimmes zu stecken.«
    »Ach natürlich! Herrgott, und wie verwüstet sie aussah!« Der Wirth lachte laut auf und das Gespräch über, Kathi gerieth wieder ins gewöhnliche Fahrwasser. – Ihm war, als ob der Sommerabend eisigen Tod verhauche, als ob öde Finsternisse langsam herniederwuchteten.
    Der so unerwartet Getäuschte schlief die Nacht nicht. Gerade durch den Zweifel der Untreue erregt, waren all seine Sinne aufgestachelt und des schönen Weibes Besitz setzte ihn in brennenden Farben vor. So faßte er nun den Entschluß, der Sache auf den Grund zu gehen und sofort am andern Morgen sie zu überführen. Er fuhr dorthin. Frau Lämmers war nicht wenig erstaunt, ihn so

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