Größenwahn
selbst diese Bürde als schwere Mühsal auf den freien Künstlernacken laden – wenn sie nur glücklich, nur gerettet wurde! Er wollte gern entbehren, wenn er ihr nur seidene Kleider stiften konnte. Ein Kuß von ihr schien mit hundert Dornenstichen nicht zu hoch bezahlt.
Nach ein paar Tagen erhielt er folgendes Billett:
»Herr Rother! Es thut mir leid daß ich Ihrem Wunsche uns irgendwo zu sprechen nicht nachkommen kann aus dem Grunde Sie würden sich nur selbst compromitiren. Denn Herr Bammer hat eine neue Gemeinheit gegen mich ins Werk gesetzt. Diesen Morgen kam ein – – Kriminalbeam ter ! und fragte nach mir. Er zeigte mir einen anonymen Brief worin stand die Polizei möchte ein wachsames Auge auf mich haben ich wäre bis 1. Juli in dem Café in Stellung gewesen, wäre ohne Grund fort und es sei zweifelhaft wovon ich lebe – – – – es sind einige Sachen in den Brief, die nur Bammer allein wissen kann, und ich kann schwören, daß es die Schrift seines Buchhalters war. Ich hatte per Zufall ein Stückchen Papier mit der Schrift des letztgenannten. Wir verglichen die Schrift und der Beamte war nun auch meiner Meinung: ich wußte wohl, daß es rachsüchtige Leute giebt, aber daß solche existiren, die nicht ruhen bis sie ihr Opfer vollends zu Grunde gerichtet haben, das glaubte ich nie und dies kann ja wohl noch geschehen. Was liegt mir an meinem Leben. Nahe daran war ich schon einmal. Heute bereue ich es daß ich so feig war.
Nun zur Sache: geweint hatte ich heute nicht, denn ich habe es allzu oft in letzter Zeit gethan, aber der Beamte mag wohl ohne Thränen mein tiefes Leid erkannt haben und hatte Mitleid mit mir. Er tröstete mich und meinte die Sache bleibt ganz still, ein Ehrenmann kann frei auftreten und braucht keine anonymen Briefe zu schreiben und übrigens traut er meinem ehrlichen Gesicht. Ich hatte ihm dann auch noch den deutlichsten Beweis wovon ich es gezeigt (es schmerzt mich zu sagen), einige Versatzungen. Nun Herr Rother wissen Sie mein neuestes Erlebniß – und nun bitte ich Sie dringend überlassen Sie mich gegenwärtig meinem Schicksal. Wenn es Gottes Wille ist, werden wir uns wohl wiedersehen, vermuthlich in besserer Zeit. Kränken Sie sich meinetwegen nicht, ich habe viel zu ertragen gelernt. Nun seien sie einstweilen bestens gegrüßt von Kathi K.«
Rother schrieb ihr auf diesen rührenden Klageruf unverzüglich, daß dies ja allen alleinstehenden Mädchen in Berlin passire, da die Polizei in dieser Beziehung unumschränkte Befugnisse hat. Sprechen müsse er sie in jedem Fall. Sie möchten sich also zufällig auf der Stadtbahn sprechen, im Coupé selbst, um jede Möglichkeit des Aufsehens zu vermeiden. In einem Nachsatz theilte er ihr mit, daß der Zahlkellner wieder allen Gästen erzählt habe, die »Schöne Kathi« mache mit dem reichen Mühlenfabrikanten Eberhart ihre Hochzeitreise. Neulich sei sie großspurig in einer Droschke I. Classe vorübergefahren. Was bedeute das? Nun »besser betrogen werden als betrügen!«
Sofort erhielt er folgende Epistel:
»Ihr Schreiben erhalten. Zürnen Sie mir nicht. Ich kann und will in meiner jetzigen Lage Niemand sehen. Klatsch ist genug schon. Ich will nicht noch mehr haben und übrigens habe ich mich jetzt an den betreffenden Herrn gewendet. Der wird mir schon Ruhe verschaffen. Möglicherweise wird auch Bammers Mund gestopft. Was das ausfahren betrifft, kann am besten meine Wirthin Auskunft geben. Denn ich gehe höchst selten ohne sie fort. Betreffs Stellung habe ich mich auch schon bemüht genug, jede Stunde ist mir die liebere, wo ich wieder zu thun habe, nun bitte ich Sie nochmals, sorgen Sie nicht um mich und vor allen Dingen lassen Sie sich nicht wieder in einen Klatsch verwickeln und glauben Sie an mir, ich werde Sie nie hintergehen.
Auch suchen Sie kein Wiedersehen. Ueberlassen wir dies der Zeit.
Mit freundlichem Gruß
Kathi Kreutzner.«
Er beruhigte sich damit. Freilich konnte er sich bei psychologischer Beobachtung sagen, daß diese Zeilen zwar die entschlossene Festigkeit des tapferen Mädchens athmeten, aber die innige Gesinnung der früheren Briefe etwas erkaltet zeigten. Doch nahm er dies Alles gelassen hin und tröstete sich mit der Zukunft. Nachdem er aufs heftigste gearbeitet fühlte er eines Tages das Bedürfniß, wieder in dem Café Bammer aufzutauchen. Bammer selbst pflanzte sich mit übertriebener Liebenswürdigkeit alsbald neben ihn hin, und während der Künstler, scheinbar nur
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