Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Gesicht.
    »Wir danken Ihnen.« Rother verbeugte sich höflich, worauf die Frau sich sogleich wieder diskret zurückzog. – »Aber aus dem Haus Eberharts hat man Sie doch so in der Frühe herauskommen sehn?«
    »Aber ich bitte, Sie, das war doch natürlich. Ich komme gerade vorbei an der Wohnung von dem und habe so viel von seinem Anwesen gehört. Da dacht ich: ›Ich will doch mal einen Blick hineinwerfen. Das Hofthor stand offen – – ich bin auch gleich wieder zurückgekommen.‹« All das klang allerdings wahrhaft. Sie ging hastig auf und ab und rief wie verzweifelt: »Nein nein, wie sind die Menschen doch schlecht! Sie wollen mich partout ins Unglück bringen, ob ich schuldig bin oder nicht. Sehen Sie nur diese Gemeinheit!« Sie riß eine Cassette auf und zeigte ihm mehrere anonyme Briefe, worin ihr zu ihrer bevorstehenden Niederkunft Glück gewünscht würde. Das sei also die berühmte Tugend der Kathi!
    »Aber der Schlimmste von Allen waren doch Sie!« fuhr Sie mit echt weiblicher Taktik fort, indem sie aus der Defensivstellung eiligst in die Offensive überging. »Herrgott, die Gemeinheit! Und das von Ihnen! O das that weh! Als ich Ihren Brief bekam, den abscheulichen; da glaubte ich, ich müßte vor Scham sterben. Meine Wirthin kann Ihnen sagen, ich habe den ganzen Tag in einem fort mich in Thränen gewälzt.« (Kathi liebte solche rhetorisch schmückenden Redeblumen.) »Als ich Sie da auf der Treppe sah, war mir, als müßt' ich auf der Stelle sterben. Meine Füße trugen mich kaum hinauf und oben fiel ich ohnmächtig aufs Sopha. O, o!«
    »Wo ist denn der garstige Brief?« fragte Rother verlegen.
    »Das fragen's noch! Sofort verbrannt. – Ach, was ich gelitten habe! Ja, das vergeß ich nie!«
    »Sei'n Sie doch nicht grausam,« flüsterte er mit grobem Vorwurf. »Wie wir jetzt mit einander stehn und was ich nachher gethan habe..«
    »Ja, das war sehr schön von Ihnen,« sagte sie eifrig, schüttelte aber mit echtweiblicher Halsstarrigkeit den Kopf. »Sehn sie, vergessen kann ich das nicht.«
    »Nun, das werden Sie doch wohl müssen,« sagte er in halb humoristischem Ton. »Als meine Frau..« Beide schwiegen. Sie setzte sich ihm gegenüber und pöselte an einer Standuhr herum.
    »Ja,« schmollte sie halblaut, »gewiß, das war sehr brav und edel und schön, und ich werd Ihnen das auch nie vergessen. Aber.. aber das fühl ich: Aus der Sache zwischen uns wird doch nichts.«
    »Warum nicht?«
    »I weiß nicht. Man hat so ein Vorgefühl.«
    »Närrchen!« sagte er freundlich und strich ihr über die Stirnlocken. Sie lachte wie ein Kind, sprang auf, zupfte ihn am Ohr und tanzte auf einmal in der Stube mit ihm herum. Dann warf Sie sich wieder auf den Stuhl und kicherte ausgelassen.
    Als er sich nach dem Stand ihrer Kasse dringend erkundigte, versicherte sie mit Nachdruck, daß der Erlös aus dem Leihamt völlig für sie genüge und daß sie unter keinen Umständen Geld annähme. Uebrigens habe sie wahrscheinlich eine Stellung; ein Herr aus Hamburg sei dagewesen, der sie als Buffetdame in einem großartigen Café engagiren wolle.
    »So, also weggehn von hier?« fuhr er auf.
    »Ja,« sagte sie ernst. »So schwer mir's wird, scheint mir das doch ganz gut.. auch für uns Beide,« setzte sie nach einer Pause hinzu.
    »Wieso?«
    »Nun, durch die Trennung merkt man erst, ob es wirklich.. ob es das Richtige ist.« Sie sah ihn fest an.
    »Ich verstehe. Du hast recht.« Er ging gedankenvoll ein paar mal auf und ab und griff dann plötzlich zu Hut und Stock.
    »Schon?« fragte sie, halb neckisch, halb mit aufrichtigem Bedauern.
    »Nun und die Briefe? Die behalt ich, gelt?«
    »Hm.« Er hatte die Briefe schon vorher vor sich abgetheilt und steckte einen Theil davon ein. »Das kann hierbleiben. Aber da fehlen ja einige, z.B. der letzte da..«
    »Die letzten hab ich alle verbrannt,« sagte sie rasch.
    »Aber laß mir den einen aus München – mit dem Liedel dabei. Der war zu süß. Ja, Herr Rother, Ihr Schreiben versteh ich immer besser als Ihre Worte. Da ist auch nicht einer Ihrer Briefe, den ich nicht mindestens zehnmal gelesen hätte – ach, das reicht nicht.«
    »Hm,« machte er mit sanftem Lächeln. »Und dann willst Du mir noch ableugnen, Kathi, daß Du für mich ein leidlich tiefes Interesse hast?«
    Sie erröthete, verzog schmollend den Mund, blitzte ihn fast zärtlich mit ihren großen Augen an und stülpte ihm plötzlich den Hut auf: »Nu aber raus!« –
    In diesem Augenblick steckte die Wirthin den Kopf durch

Weitere Kostenlose Bücher