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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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oberflächlich hinbotend, ein Frühstück hinterschlang, begann Bammer sich nach allen Dimensionen über die Verlogenheit Kathis zu unterrichten. Sie habe seinem Buchhalter einen so ungemeinen Brief geschrieben, daß der alte Mann sich schämte, ihm zu zeigen, so schmutzig sei der Inhalt gewesen.
    »So was Unweibliches!« Bammer schüttelte mit großer Entrüstung das Haupt. Dann lenkte er auf das andere Gespräch zurück.
    Sie konnte sich nicht weißbrennen. In der Gegend war kein Bahnhof und was habe sie in so früher Morgenstunde dort zu suchen gehabt!
    Rother meinte trocken, er glaube nicht daran. Aber der andere begann mit solcher Emphase weiter zu stochern, als wenn die Gefühle eines auf den Rost Gelegten rauskämen.
    Wäre es möglich, daß er dennoch betrogen! Wie dieser nagende Zweifel ihn aus allen Himmeln stürzte!
    Er hatte sich stolz gefühlt, so lieben zu können. Das war der einzige Stolz, der ihm nicht eitel und nichtig erschien. Und dies Geheimniß seiner Seele sollte Niemand kennen. Nur sie Beide sollten von sich wissen, eng verbunden bleibend, heimlich versteckt vor der Welt. Und so hatte er sie dereinst zu sich emporheben wollen. Was das schwache Herz geschworen, sollte halten der starke Geist. Ihre Seele, die unverstandene, sollte die seinige verstehen lernen, bis beide Seelen nur ein einziges gemeinsames Geheimniß der Liebe bargen.
    Und nun, all seine hochherzigen Absichten heroischer Selbstverleugnung vergeudet – an eine Schuldige, die ein falsches Spiel mit seinem Vertrauen trieb?
    Er beschloß der Sache sofort auf den Grund zu gehn. Wirklich machte er sich sofort auf den Weg; traf er auch wahrscheinlich sie selber nicht bei so früher Tageszeit – es war drei Uhr –, so fand er doch sicher die Wirthin.
    Er grübelte sich immer mehr in heftige Erregung hinein. Mit zorngerötheten Wangen und hastigen Schritten stürzte er den langen Bretterzaun entlang, der von der Stadtbahnstation zur Gerichtsstraße hinführt. Bald hatte er das breite, hohe Haus gefunden und klomm die steile Treppe hinan, auf welcher einige winselnde schmutzige Kinder sich balgten. Wird er sie zu Hause finden! Wirklich, der Zufall schien ihm günstig. Höflich bat ihn die Wirthin einzutreten.
    »Aber ich weiß nicht, ob sie abkommen kann. Sie hilft mir beim Waschen und ist nicht angezogen.«
    »Sagen Sie ihr, ich hätte ihr etwas Wichtiges zu sagen.«
    »Nun gut, ich werde sie rufen.«
    Er verbeugte sich stumm und nahm am Fenster Platz, nachdem er mit einem kurzen Blick auf den Spiegel constatirt, wie blaß er aussah. Nach einiger Zeit trat sie ein mit heiterem Ausdruck und fröhlichem Lächeln. Sie hatte sich offenbar rasch umgezogen, trug ein elegantes Kleid, blau mit Rosablumen gemustert. »Guten Tag!« sagte sie freundlich, indem sie heftig erröthete.
    »Guten Tag,« erwiderte er trocken. Sie schrak auf und sah ihn an. »Ja,« fuhr er unsicher fort, »es ist mir peinlich genug gewesen, hierherzukommen. Aber es muß sein. Ich wollte Sie bitten, mir zurückzugeben, was Sie schriftlich von mir haben.«
    Sie blickte ihn einen Augenblick sprachlos an. Dann sprach sie los: »Ah, daher bläst der Wind! So war's gesagt. O ja, gut, hier, sofort, nehmen's Alles.« Sie kniete zu ihrem Koffer hin, riß ihn auf, kramte darin herum und häufte einen Brief auf den anderen. Ihre Stimme gewann dabei einen eigenartigen Reiz in der unwollenden Ironie des schmelzenden Tonfalles; der Zorn gab ihr eine verschönernde Würde des Ausdrucks.
    Rother stutzte und schwankte in einer gewissen Begeisterung. »Mein Gott.« rief er, »wenn man Sie hört! Was soll ich glauben! Der Buchhalter hat Sie doch daheim gesternmorgens gesehn.. und am Görlitzer Bahnhof haben doch gar nichts zu suchen.«
    »Ich habe doch meine Wirthin begleitet.«
    »Ach, wer das glaubt!«
    »So? Natürlich!« Sie riß die Thür auf: »Frau Lämmers!«
    »Nun?« machte diese, die in einer durch den Flur getrennten gegenüberliegenden Stube bei der Nähmaschine saß.
    »Ach, kommen's doch mal einen Augenblick herein!« Die Wirthin erhob sich und erschien wirklich. Eine längliche, magere Person mit einem ziemlich unschönen bebrillten Gesicht, dessen Ausdruck aber sofort Vertrauen einflößte. Ihre Haltung entbehrte nicht einer gewissen gesetzten Würde. – »Bitte, Frau Lämmers, sagen's doch dem Herrn, ob ich nicht mit Ihnen an jenem Morgen ausging.« Die Wirthin nickte ernsthaft und bestätigte es mit kurzen klaren Worten. Daß ihre Aussage ehrlich war, las man auf ihrem

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