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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verschen aus der Zeit, wo ich ab und zu die berühmte Kneipe besuchte, in der jene Sturm-und Dranggenies sich gegenseitig ihre
Opera, omnia
vorlasen. zu drollig!
     
    »Ich will umschließen Dein starres Herz,
    Und wärest Du ganz vergletschert,
    Vulkan, aufgährt Dein Flammenschmerz,
    Wo meine Thräne plätschert.«
     
    Na, plätschere man zu! – Welch ein Wahnsinn diese Liebe die sich mit Gewalt in ein andres Wesen auflösen möchte! Gott sei Dank, an solcher Schwäche leide ich nicht mehr. Auf Erden ein Ideales suchen ist schon Jugendeselei. Pah, besieht man sich die Helden und großen Geister bei Lichte, sind's ja auch nur Esel.
     
    »O welch ein Künstler stirbt in mir!« ruf ich mit dem Größenwahn des sterbenden Cäsaren. Wenn ich da unten modere, dann werden sie schaufeln und schaufeln an dem verschütteten Götterbild, bis es aufrecht steht wie ein Denkmal, von dem die Hülle fiel. Und kein Antlitz, das man kennt aus den Gebilden der Vergangenheit. Denn nie aus gleichem Marmor wird der Genius geschnitten. Wie sie grinsen würden, die Erbärmlichen, wenn sie diese Prophezeiung, ahnten! Und doch wird sie sich erfüllen, kaum daß ich die Augen schloß.
    Aber ich bin ja ein Schwächling, daß ich dem elenden Geschwätz dieser Akademiker überhaupt Rechnung trage. Mußte nicht schon der größte aller Dichter den Kampf gegen die Pseudo-Klassicität und ihren morschen Schulkram bestehn – ein Kampf, der ihn wohl so frühzeitig aufgerieben hat? Mußte er nicht dem Nörgeln des »Alterthumsfreundes« Ben Jonson seine Tragikomödie »Troilus und Cressida« entgegensetzen? Jener gelahrte Didaktiker hatte ihm gehörig zu Gemüthe geführt, daß er, der Komödiant ohne alle patentirte Bildung, sich erdreiste höchste Probleme zu lösen, während er sich doch nicht einmal dem Problem gewachsen zeigte, die Alten im Urtext zu lesen und in einer Vorlesung Bacon's über Logik und Psychologie gewiß achselzuckend eingeschlafen wäre. Da griff sich denn Meister William einmal die homerischen Helden auf und streifte ihnen Purpurchlamys und Kothurn so gründlich ab, daß sie nun wie nackte Gliederpuppen umherliefen. Die göttlichste Schindung des Marsyas, die je ein Apoll verübt. Schade nur, daß die nie aussterbende Rotte dieser Flötenbläser nicht immer einen Shakespeare findet, der ihr das Fell so elegant über die Eselsohren zieht!
    Ueber die Renaissance-Naturalisten urtheilte man damals wie über die heutigen. Während man den Barbaren vom Avon wie einen drolligen Kannibalen einbalsamirte, heroldeten ästhetische Quacksalber die schnödesten Parfümeure.
    Alles wie heut. Müffiger Pomp doktrinärer Verstocktheit, »unanfechtbare Kunstgesetze« des wüstesten Formalismus. Erst nach erbittertem Kampfe erkannte man das einzige ewige Kunstbedürfniß in den befreienden Naturlauten des Elementaren.
    »Erwache, du Licht in Ossians Seele!« Sich, da kamen sie alle, die Naturburschen der Litteratur – Ackersmann Burns, Weltbummler Byron, vom College relegirter Student Shelley, Laufbursche Dickens und Postillon Bret Harte! Die Götter Griechenlands kannten sie nur oberflächlich, wohl aber die Götter der eigenen Brust.
    Da faselt dies unwissende Professorengesindel, Shakespeares klobige, Naturalismen seien aus dem Geschmack seiner Zeit zu erklären. In ihrer gräßlichen Unwissenheit ahnen sie natürlich gar nicht, daß alle die großen Zeitgenossen des Größten wohl in Blut- und Wollustseenen sich berauschten und gewiß einen heroischen Realismus bekundeten, daß aber nur Shakespeare den Naturalismus vertritt. Warum scheute grade er vor keiner schlüpfrigen Zote, vor seiner rohen Unanständigkeit, vor keiner Banalität zurück? Warum roch er an Yoriks Schädel, während die frostigen Späße der branntweinfuseligen Todtengräber die jungfräuliche Lieblichkeit in feuchte Erde betten? Warum hörte er die Kärrner über ihr Ungeziefer fluchen und durchstöberte die schmutzigen Winkel der Bordells?
    Warum, ja Warum? Ich weiß es – ihr nicht, ihr gichtbrüchigen, lendenlahmen, wohlriechenden Würdepriester. Ihr könnt es auch nicht wissen.
     
    Heut sandte ich ein neues Buch von mir an die »Privilegirte Fortschrittszeitung« und den hochconservativen »Botschafter«. Beide Mistblätter haben geschworen, meinen Dichternamen nie mehr zu erwähnen, weil ich mit den Herrn Redakteuren am Biertisch mehrfach Conflikte gehabt hätte !! Der Chef der »Privilegirten Fortschrittszeitung« will jedoch in weiser Schonung nie aus

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