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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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dämonischen Trieb zur Selbstsucht auch beim Weisesten und Besten nicht zu brechen vermag.
    Häufig kann die gemüthloseste Streberei und wüthendste Eitelkeit entschuldigt werden durch die unglücklichen Verhältnisse eines von der Natur stiefmütterlich Behandelten oder von den Menschen Mißhandelten, dessen Energie sich an Natur und Menschen zu rächen sucht. Dies gelingt freilich um so leichter, als die Menschen, soweit es ihre eigene Selbstsucht erlaubt, selten der Bonhomie entbehren und gern einem fleißig Ringenden Raum gönnen, – ohne die Misanthropie eines solchen nervösen Irren durch dies Entgegenkommen zu ändern.
    Allein, wenn die Menschen auch keineswegs der guten Instinkte entbehren, so mangelt ihnen dafür gänzlich der ideale Instinkt. Man kann ein guter Mensch sein und doch unheilbar in alles Materielle verstrickt bleiben, wodurch denn zuguterletzt auch nur selbstsüchtige Motive entstehen. Man kann ein böser despotischer Mensch sein und doch sich zum Idealen erheben, wodurch denn trotzalledem eine allgemeine Immaterialität, also Selbstlosigkeit, sich erzeugt. Aus diesem Grunde verwirft der bärbeißige Carlyle alle sogenannte Philantropie. Der finstre Dante, als er einsam die Divina Comedia für die Menschheit schrieb, habe eine viel wichtigere Philantropie geübt.
    Aber gerade diesen Standpunkt wird die Alltagsherde nie verstehen und nie begreifen, daß ein dem Idealen geweihtes Wesen, dazu bestimmt, dem unirdischen Reich des Ewigen zahllose neue Jünger zu gewinnen, gänzlich außerhalb der gewöhnlichen Alltagsgesetze steht. Denn das wahre Sittengesetz wird es ja ohnehin nie verletzen. Weil etwa Leute sich einer sogenannten Wohlthätigkeit befleißigen, was denn auch auf ihr sonstiges Interessen-Kerbholz von der gläubigen Welt angekreidet wird, bewiesen sie noch keineswegs ihr Freisein von der Knechtschaft des starren Ich. Aber ein Mensch, dessen Geist sich unmateriellen Sphären völlig ergab und sein ganzes Sein auf idealen Zielen aufbaute, muß innerlich frei sein von allen Schranken der Sinnenwelt, bleibt daher jeder wahren Ichsucht fern, selbst wenn er seine Mitmenschen als bloße Zahlen behandelt oder gleichgültig ihre verächtlichen Leiden und Freuden flieht.
     
    Mit überwachtem überarbeitetem Gehirn wanderte der Graf eines Morgens bei Tagesanbruch hinaus, weit hinaus über Feld, dem nächsten Bergwalde zu.
    Die Sonne tauchte hinter den smaragdgrünen Baumwipfeln hervor. Eine schmeichelnde Wärme rieselte wollüstig durch alle Poren der Lebewesen. Von leisem Windhauch geläutet, schwangen sich die Blüthenglöckchen der Zweige hin und her und überschütteten die Vorübergehenden mit feinem silbernem Sprühregen.
    Wie ein Lämmlein mit Rosaband und Glöckchen, sprang hier der rosenbestandene Bach dahin, kletterte über Felsenkniee, wälzte sich in der Blumenau und ließ seine glockenhelle Melodie ertönen. Aber die Rosen waren jetzt verwelkt und welke Blätter raschelten umher, Vorboten der weißen Schneebienen des Winters. Wie ein Adler, der noch auf höchster Firne rastet, ehe er ins Reich der Wolken strebt, – schien die Sonne noch mit dem ersten Glühen ihrer Schwingen auf den Giebeln der Felsburgen zu rasten.
    Die Landleute begannen eben ihre Arbeit.
    Heiliger nährender Opferdienst der Erde! Der alten vergessenen Natur rettendes Sinnbild bist du, o Pflug, der willige Aecker durchfurcht! Zufrieden, wenn man die Frucht eurer Mühen euch mit kargem Lohne zahlt, verachtet ihr den hohlen Prunk der Städte, ihr Pflüger mit schwieliger Faust und sonnerbrannter Stirn!
    Droben in der lichten Bläue und über den Feldern tirilirte es. Wie eine klanggewobene Jakobsleiter stieg vielstimmiger Vogelsang himmelan und himmelherab. Unbewußt sang seine Seele mit in rhythmischen Lauten:
    Lerche, aus Wolken schwang sich an mein Ohr dein Sang! Liebe beseelt ihn und hat ihn gelehrt! Gießt wie ein Sonnenstrahl Licht über Berg und Thal! Dein Lied lebt im Himmel, dein Lieb auf der Erd! Hoch über Wald und Moor, Wiese und Dorf empor, über der Morgensonne Erglühn, über der Wolke Rand, des Regenbogens Band, Herold des Tages, hinflatterst du kühn!
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Er warf sich ins Gras und lauschte dem schrillen Zirpen der Grasmücken und dem Vogelzwitschern in den Fichtenzweigen. Ein Paroxismus knabenhafter Sehnsucht, eine mystische Brunst, befiel seine Künstlernatur. Er zerriß die keuschen

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