Größenwahn
erretten, nicht das Kreuz der Kirche. Doch vielleicht ein anderes? Das Kreuz, welches wir alle tragen? –
Er sann und sann – – –
Ist der Tod nur ein Durchgang, ein Isthmus zweier Ewigkeiten, so wäre der Tod, vor dem wir schaudern, minder schreckhaft als dies Dasein, das wie ein Wolkenschatten dahingleitet im unermeßlichen Raum. Aefft uns der Tod wie das Leben, dies Marionettenspiel? Und das All um uns her – ist das fest? Schwanken nicht seine Grundpfeiler, verschwimmt nicht alles ineinander, ist es am Ende auch nur eine Vision der getäuschten Sinne, eine Wüstenmirage geblendeter Augen, eine Wahnvorstellung?
Wenn aber das Dasein und die Natur unwirklich, – was bin denn ich als Ich und was ist Gott? In ihm leben, weben und sind wir. Auch nur eine Vorstellung? Ist er doch überall. Mein Ich und Gott – verschwimmt das auch ineinander?
Oder sind Natur und Gott ein Gegensatz? Entstand die Welt, indem Gott sich selbst verlor? Und wenn so Göttliches von Gott abfiel, soll es zu ihm zurückkehren? Oder stieg aus dunkeln Urtiefen der Gotteskeim selber empor, so daß Gott nichts ist, als die Spitze und Frucht der Natur?
Und wie stehen wir selbst zu diesen großen Gewalten? Hängen wir mit Gott zusammen, so dienen wir nur als niederes Gefäß seiner Gnade. Das heißt dann Christenthum. Wie, ich Mensch, der ich nichts der göttlichen Gnade verdanke? dessen Gedanke nichts ist, als der Sohn meiner eigenen Arbeit?
Und der Pantheismus löscht mich vollends aus. Da bin ich nur ein ärmlich Mittel des Naturzwecks. Wie, ich, in meiner stolzen Naturbeherrschung?
Wohl lehrt mich Darwin, daß ich nur ein Naturprodukt meiner Ahnen. Gleichviel. Ich bilde fremde Samenkeime mit meinem freien Willen zur neuen selbstständigen Pflanze aus. Und wäre selbst die Seelenwanderung des Welträthsels Lösung, so bliebe es doch nur immer dasselbe untheilbare Ingenium, das sich rastlos im Kreis der Dinge eine Heimstätte sucht.
So sind wir denn selbst die Ewigkeit? Selbst die göttliche Idee? Der Gott der Welt ist der menschliche Wille.
Und wenn es nun ein böser Wille? Das Geheimniß der Prinzipien von Gut und Bös besteht in ihrer Zusammengehörigkeit. Alles ist Instinkt, Selbstaufopferung so gut wie krassester Egoismus. Böse ist nur die Nichterfüllung des eigenen Willens. Der menschliche Genius, der im Kampf mit zahllosen Schwierigkeiten seine fortzeugenden Werke leistet, scheint an sich viel größer, als die einmalige Naturschöpfung der allmächtigen Centralkraft.
Ja, so mag des Menschen berechtigter Größenwahn wohl urtheilen. Nichts erbärmlicher und nichts bewunderungswürdiger, als der Mensch. So dachte gewiß auch Kain, der erste Haderer wider Jehova. Als er nun aber den Tod in die Welt gebracht, da sagte ihm dröhnend die innere Stimme: Das ist ein Riß durch die Natur, das ist Schuld .
Er wußte bisher nur, daß er war , jetzt erfuhr er, daß er etwas solle – denn er fühlte, was er nicht solle. Woher? Von wannen kam ihm diese Wissenschaft? Aus dem Innern? Wer schrieb's dort ein? Er sich selber? Seit wann denn? Erst seit heute, wo er schuldig geworden? Nein, es mußte ihm schon eingeboren gewesen sein. Es giebt also eine höhere moralische Ordnung außer uns und über uns.
Hör' auf, dein starres Ich zu behaupten, Niemandem unterthan, in dich selber ein wärts deinen Pfad zu bohren!
Tödte den Willen ab! Selbst ein idealer Wille verstrickt dich in Schuld. »Soll ich denn meines Bruders Hüter sein?« Heuchlerische Frage! Du fühlst ja, daß du es sollst.
In der Friedlosigkeit des Schuldbewußtseins fühle du den Frieden der Erlösungssehnsucht! In dem Schmerze der Schuld wird die Last der Verantwortlichkeit von dir genommen, die den souverainen Willen bedrückt. Nicht länger fühlst du dich verpflichtet, als höchste Erscheinungsform der göttlichen Idee zu gelten. Die Demuth deiner Schuld beugt dich freudig unter die Erkenntniß einer über den Dingen stehenden Centralkraft, der sich auch der Größte willenlos zu unterwerfen hat.
Jeder ist schuldig, auch du trage dein Kainsmal, denn auch du hast deinen Bruder gehaßt und dich selbst geliebt. Aber trage es ruhig und stolz, ohne Trotz, ohne unnütze Reue! Gehe hin und sündige nicht mehr!
Wie so anders erscheint das Räthsel des Lebens dem Manne, der liebte und lernte und litt! Eine grause Gabe ist das Teleskop der Wahrheit, das alle Erscheinungen verwischt und nur Schein sieht, wo die frische Hoffnung einst im Sein geschwelgt. Die Gedanken und
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