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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Element übt sogar einen wohlthätigen Einfluß aus auf die deutsche Michelei. Daß die unduldsame Eitelkeit dieses auserwählten Volkes natürlich jedes freie Wort in dieser Sache verpönen möchte, scheint halt auch nur eine verzeihliche Empfindlichkeit historischer Rückerinnerung. Gegen die Juden an sich hat man nur einen berechtigten Vorwurf: daß sie geschickter im Kampf ums Dasein zu strebern wissen und wie alle Orientalen kaltblütiger (trotz scheinbarer aufgeregter Zappelei) ihr Ziel im Auge halten, als der sanguinisch nervöse Germane.
    Aber wenn man an den Juden ihr protziges Snobthum tadeln möchte, so kann man dem sogenannten Adel oft nur uneingeschränkteste Verachtung widmen. Die Bauern auf dem Lande wissen ein Lied davon zu singen. Diese Junker unterstützen förmlich den Wucherer, auf daß er den produktiven Stand beraube. Sie verbinden sich mit Geschäftsleuten, ob Christen oder Juden, zu den schmutzigsten Gründungen und theilen den Raub mit ihnen; sie decken ihnen den Rücken, falls sie in Verlegenheit kommen.
    Der selige Stroußberg, ein genialer Schwindler, nahm sich entschieden am auständigsten aus unter seinen hochvornehmen Compagnons, die er manchmal im Vorzimmer stundenlang bei Champagner warten ließ, weil er selbst ja diese schmutzigen Mit-Geldschinder der armen Leute als Müßiggänger verachtete. – Auf dem Lande haben die vielgeschmähten Juden immer versteckte Hintermänner, wenn es gilt, den Bauernstand zu untergraben. Dringt die Feudalaristokratie erst massenhaft in den Reichstag ein, so wird sie in geheimer Verbindung mit dem Jobberthum das Volk vollends zu Grunde richten. So werden die Produktivstände immer mehr ausgesogen und gedrückt, daher auch immer verbitterter. Während in den Städten die Socialdemokratie langsam und sicher vordringt, brütet auf dem Lande ein dumpfer Haß gegen diese conservativen Wappenschänder, die in den Plappermenten »verdammt schneidig, äh« ihre elenden Phrasen für Gott, König und Vaterland ableiern und daheim im Stillen ihre Procentchen berechnen. Die bodenlos gemeine Interessenpolitik der Parteien ruinirt systematisch, durch Concentrirung des Großkapitals in »Ringe«, das Bürger- und Bauernthum. Und dann wundern sich diese Blinden, wenn eines Tages ihnen das Haus überm Kopfe zusammenbirst, nachdem sie selbst seine unteren Grundpfeiler durchsägt. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. –
    Der Adel nützt die Parvenü-Sehnsucht der Juden nach adligem Umgang natürlich nach Kräften auch in »idealen« Gebieten aus. Auch der edle vornehme Graf Fridolin v. Scheckwitz bewirthete auf seiner Villa am Tegernsee den zufällig dort zur Sommerfrische weilenden Chefredacteur der »Berliner Tagesstimme« nebst vier Adjutanten desselben, und fraternisirte mit denselben auf Du und Du, um einigen Reklamerecensionen in der »Berliner Tagesstimme« einzuheimsen. Eine davon schrieb sogar Scheckwitzens eigener Sekretär. Es geschah dies mit unzweifelhaft idealer Absicht, damit doch ja die Intentionen des Dichters richtig gewürdigt würden, und wer könnte dieselben wohl besser verstehen, als des Dichters eigener Famulus! – Wenn nun aber Scheckwitz, der jedem Adligen nachläuft und nur nach Umgang mit »Standesgenossen« giert und in gemeinstem Servilismus vor jeder Fürstlichkeit katzbuckelt, obschon er ultra-radikale Modeansichten in seinen Werken vertritt, und sogar unter durchsichtiger Maske seinen hochseligen Herrn satirisirte, um sich bei dessen Nachfolger einzuschmeicheln, – wenn nun aber Scheckwitz wegen seines intimen Villeggiatura-Verkehrs mit Doktor Bergmann von seinen »Standesgenossen« entsetzt interpellirt wurde: »Herr Gott, ich biett' Sie, Graf! Ein Mensch, der wegen Beleidigung des Fürsten Bismarck gesessen hat und sogar früher ausgewiesen wurde!« – dann warf er naiv hin: »Aber, liebste Comtesse, ich brauche diese Juden! Die Leute müssen halt über mich schreiben!« So spielte er sich den »Standesgenossen« gegenüber als »Dichter« und den Litteraten gegenüber als »Kammerherr Graf Scheckwitz« auf. – Die am wenigst vornehmen Naturen findet man in der sogenannten Aristokratie. Krastinik spie verächtlich aus in der Erinnerung an so manchen pöbelhaften Kriecher oder Stallknecht mit ellenlangem Stammbaum. Solche Burschen verkaufen ihren »Namen« an die Tochter eines Geldfürsten, hauen die verheirathete Jüdin aus germanischer Ritterlichkeit, bringen ihr ganzes Vermögen durch und lassen die etwaigen Söhne

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