Größenwahn
Hohenzollernhaus aus historischer Erkenntniß und dankbarer patriotischer Pietät als glänzendsten Zeugen der Darwinischen Evolutionstheorie, als berufenstes, Talent und Charakter von Generation zu Generation vererbendes Herrschergeschlecht.
Die trostlose Unreife und Dummheit der Eintagsparteien vermag natürlich den inneren festen Zusammenhang solcher Auschauung nicht zu erfassen. Ein in der Wolle gefärbter Demokrat hat auf die Juden und das Plapperment und die liberale Presse zu schwören. Und was ein richtiger Conservativer ist, stimmt fröhlich durch Dick und Dünn mit Gott für König und Vaterland – für Vermehrung der stehenden Heere, Schutzpatent des Militairdünkels und des Kastengeistes, Muckerchristenthum, Feudalrechte und allerunterthänigsten Servilismus. Darum warnte ein christlich socialer Bonze vor diesem »verkappten rothen Revolutionär« und
Dr.
Bergmann von der »Tagesstimme« vor diesem »opportunistischen Streber«, der naiv genug gewesen, »Majestätsbeleidigungen gegen Schiller und Die dulde Ich nicht« zu äußern und den antisemitischen Dichter
Dr.
Adler zu loben, während er Feuilleton-Honorare von der freiheitsdurstigen »Tagesstimme« bezog!!
»
The consequence is: beign of no party, I shall offend all parties
«, citirte Leonhart achselzuckend aus Byron, wenn auf solch angebliche Widersprüche die Rede kam.
Aehnlich verhielt es sich mit den Vorwürfen gegen seinen grellen Hohn und sein »boshaftes Schimpfen«. Krastinik hatte ihn über jeden einzelnen Fall interpellirt und wußte aus vorgelegten Dokumenten am besten, daß Leonhart stets der zuerst Angegriffene gewesen war . Schon sein wohlwollendes Gemüth verbot ihm, Andere zu schädigen. Reizte man ihn freilich, dann vergrößerte sich die momentane Entrüstung durch das verbitternde Bewußtsein seiner allgemeinen schiefen Lage und den allgemeinen Ekel gegen das rechtlose Weltgetriebe. Dann schlug er allerdings seine Krallen so furchtbar ein, daß man an der Klaue den Löwen erkannte. Wofür war er sonst ein Leu? Der Leon bleibt ein Leon, man kann ihn tödten, aber nicht ändern. Immer und immer wieder löste sich das Räthsel seiner plötzlichen Anfeindung der Menschen dadurch, daß die Anmaßung der Andern nie zu begreifen vermochte, daß er nicht wie ein andrer Gemeiner in Reih und Glied zu marschiren habe. Viel zu gutmüthig, um jemals Andere zu »drücken«, verletzte er doch jede windige Eitelkeit ohne es zu ahnen, gleich wie der sagenhafte Speer Ithuriels überall die Lüge und Schlechtigkeit aufdeckt. Man haßte ihn instinktiv. Er war so groß und dabei so cordial liebenswürdig, daß man ihn doppelt haßte. Später erst wurde er herb und schroff. Er, dem die Thränen in die Augen traten bei der Betrachtung jeder edeln Handlung, verhärtete sich zusehends und zwang sich gleichsam zu eisigem Egoismus.
Und fühlte Krastinik nicht, wie auch ihn mehr und mehr eine dumpfe Wuth gegen Lüge und Gemeinheit zu verzehren begann?
Mit voller Billigung dachte er jetzt an die höhnischen Glossen Leonharts über den heutigen Adel, welche er früher bestritten hatte. Mit verächtlichem Lächeln hielt er Umschau unter den edeln Standesgenossen des Nachbaradels, wo bereits über den »verrückten Sonderling« nicht wenig medisirt wurde.
Eher geht ein Kameel durch ein Nadelöhr, ehe daß ein Junker oder ein Jude sich bescheiden lernt. Die Katze läßt das Mausen nicht und die Abkömmlinge von Strauchdieben oder fürstlichen Maitressen nicht den Wahn des blauen Blutes.
Mag dieser elende »Adel« noch so sehr auf die Juden schimpfen, obschon bei manchem näselnden Gardelieutnant die mütterliche Abkunft schon gar nicht mehr verkannt werden kann, – unter dem Tisch waschen sich Juden und Junker allezeit die Hände. Daher sagt Disraeli sehr richtig im »Coningsby«: Die Juden seien wesentlich Torys. Denn der Semit dürstet nach »Vornehmheit« d.h. nach der äußeren Geltung derselben. Er beruhigt sich nur in seiner unersättlichen Eitelkeit, wenn er die übrige Welt zu seinen Füßen sieht. Daher zeigt er sich im Verkehr entweder selbstüberhebend dreist oder kriechend gegen den Mächtigeren, den er durch List besiegen möchte.
Diese dem Judenthume eingeborenen Fehler müssen nun mal aus seiner früheren Abhängigkeit entschuldigt werden. Haftet doch im Grunde den meisten Menschen das Snobthum an. Auch besitzen die Juden eine Menge vortrefflicher Eigenschaften, welche für ihre weltkluge Streberei entschädigen, und dies zersetzende
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