Größenwahn
und selbstsüchtige Berechnung in jeder guten Handlung ausklügeln! Es giebt einen logischen Syllogismus stahlscharfer Argumentation, mit welchem der gesunde Menschenverstand alle Finten und Paraden jener dialektischen Floretfechter durchhaut. Wenn nämlich z.B. Dankbarkeit auch nur eine selbstsüchtige Absicht verbirgt und man beim Erweisen von Wohlthaten auch nur den Dank berechnet, – warum ist dann Undank der Welt Lohn und warum giebt es dann so wenige Wohlthätige und Hülfsbereite? Der Undank mag ja vielleicht eine Dummheit sein, aber er entspricht doch offenbar dem Instinkt der Selbstsucht. Und wenn unser Wesen derartig von Selbstsucht durchtränkt wird, welche Selbstüberwindung müßte dazu gehören, gewissermaßen Wechsel auf Undank zu unterschreiben! Wer Wohlthaten erweist, klügelt aber gar nicht darüber noch lügt er sich zur Deckung fremder Schlechtigkeit die schwindelnd hohe Moral an, daß man auf Dank überhaupt verzichten müsse. Sondern er folgt einfach seiner wohlwollenden Naturanlage. Freilich folgt auch die Schlange ihrer Naturanlage, wenn sie hinterrücks sticht. Den Teufel auch! Man schlägt sie nieder – da folgt man denn auch seiner Naturanlage. Selbstsüchtig ist Beides, ja das versteht sich.
Allein, wenn alles das, was wir als Tugend und Selbstlosigkeit bewundern, auch nur von der gleichen Selbstsucht dictirt wird, so müßte ja die Neigung zur Tugend als zu einem Selbstgenuß bei uns Selbstlingen allgemein verbreitet sein! All die schönen Sprüchlein einer nörgelnden Skepsis zerstieben vor der derben trockenen Thatsache, daß man doch noch egoistischer ist als jene angeblich egoistischen Motive und daher lieber ohne diese heuchlerischen Tugendmotive wie ein brutaler Selbstling handelt. Mag die sogenannte Tugend nur verfeinerte Selbstsucht sein, mindestens ist sie doch ein höherer Grad und das unvollkommene sprachliche Begriffsvermögen unterscheidet sie von der gang und gäben gemeinen Wald-und Wiesenselbstsucht eben durch den nichtssagenden Titel – »Tugend«!
Wo Mitgefühl und passive Selbstsucht collidiren, siegt allemal das Mitgefühl, sobald die sonstige Geistesstruktur eine normal gesunde. Hingegen siegt die Selbstsucht meist dann, wenn sie nicht passiv, sondern activ bei der Collision mit dem Mitgefühl betheiligt ist, wenn das geforderte Mitgefühl sie direkt schädigt. Daher ist es allemal leichter, Jemanden zu sich heraufzuziehen und neben sich anzuerkennen, als ihn über sich zu stellen. Daß aber dennoch im Allgemeinen das Mitgefühl stärker ist als die Selbstsucht, geht aus der Begeisterung hervor, mit welcher normale Menschen für eine große Idee oder für einen Heros ihr eignes Ich in die Schanze schlagen. Man möchte nun natürlich den Gran selbstsüchtiger Eitelkeit herausdestilliren, welcher in der Begeisterung liegt. Dies wird jedoch durch die Thatsache der Vaterlandsliebe widerlegt, welche in besonderen Fällen eine ganze Nation zu selbstloser Hingebung anfeuert. Denn da dieselbe als bloße allgemeine Pflicht aufgefaßt wird, so vermag sie die Eitelkeit in keiner Weise zu befriedigen und weder Lohn noch besonderer Ruhm sind davon zu erwarten. Natürlich scheint ja der Stolz aufs Vaterland zuguterletzt auch egoistisch, aber mit solcher Haarspalterei kommt man nur der Neigung unsrer krittelnden grämlichen Epoche entgegen, alle Unterschiede von Streberei und strebendem Heldenthum, Größenwahn und Größe zu verwischen.
Immer klarer drängte sich bei dieser Analyse der Einzelgefühle dem einsamen Grübler die Gewißheit auf, daß man sich in der wankenden Verwirrung unsrer Umsturzepoche den Stolz auf ein großes Staatswesen wie ein Panzerhemd zurechtschmieden müsse. Jetzt erst verstand er auch »die lächerlichen pangermanistischen Schrullen« seines großen Freundes, die man so oft verspottet hatte – er begriff die Sehergabe dichterischer Intuition.
Amerika mußte entdeckt werden, denn man glaubte an eine Existenz. Ein fester Glaube aber ist allemal ein ahnendes Wissen. »
Cogito, ergo sum.
« So läßt sich die Theorie vom Gedanken nach Descartes weiterführen.
Im Anfang war das Wort, der Logos, die Vernunft. Aber der blinde Autoritätsglaube, die träge Gedankenlosigkeit, das Unvernünftig-Chaotische setzt seine schwerfällig unfruchtbare Masse stets der lichten Schöpferkraft entgegen. Das Chaos betrachtet sich als die wahre göttliche Ordnung, die neue Welt als eine frevelhafte Revolution. Columbus hieß ein Tollhäusler, Luther ein Zerstörer. Ja
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