Größenwahn
sich diese Frage täglich vor. Was für entsetzliche Schranken thürmten sich vor ihm auf. Was für Kämpfe mußte er bestehen, wenn er sie wirklich heirathen wollte! Aber er hatte sein Wort gegeben, er war ein Gentleman, und – er liebte sie. Mit hartnäckiger Festigkeit blieb er an dem Verabredeten haften, mit jenem falschen Stolz, den schwache Naturen für Stärke ausgeben.
Vier bis fünf Wochen waren verflossen, sie hatte nichts von sich hören lassen. Nun, das war ja die Verabredung. In der letzten Woche hatte er sich aufgerafft und wie ein Held mit Anspannung aller Kräfte gearbeitet. Immer nur einen Gedanken dabei im Auge, Ruhm und Geld zu erlangen – für sie . Es gelang. Seine Freunde, welche die Composition seines Bildes (Kohlenzeichnung) »General Hoche stirbt in Folge geschlechtlicher Excesse« betrachten durften, erklärten es einstimmig für genial. Beim Nachhausegehen wunderten sie sich gegeneinander aus, wie dieser Kerl sich »herausgemacht« habe. Daher schien auch wohl die Unruhe, die krankhafte Blässe und Nervenschwäche, die man seit seiner Rückkehr aus München an ihm bemerkt, zu erklären. Natürlich, sein Bild ging ihm im Kopf herum.
So war denn doch etwas bei all dem Jammer herausgekommen. Im Fieber hatte er gebummelt, im Fieber blitzschnell die Idee dieses Bildes gefaßt, im Fieber Tag und Nacht daran gearbeitet – Liebes- und Arbeitsfieber hatten einander unterstützt.
Und in diesem Hochgefühl setzte er sich hin und schrieb an sie einen langen Brief. So lange hatte er sich bezwungen, sein Herz zum Schweigen gebracht – nun schüttete er ihr sein Herz aus in glühenden brennenden Worten, wie nur ein Künstler es vermag. Ja, er mußte ihr Alles, Alles sagen, was ihm an den Eingeweiden fraß, in den Schläfen hämmerte. – –
Wie, noch keine Antwort? Eine Woche verging. Ein plötzlicher Einfall führte ihn wieder in das Café Bammer zurück, das ihm Zeuge so vieler innerer Qualen gewesen. Der geschniegelte Wirth zeigte sich hocherfreut, »Herrn Professor« wiederzusehen. Dabei brachte er das Gespräch wiederum auf die berüchtigte Kathi. Ob Rother etwas davon wisse. Keine Spur? – Nun, neulich sei der Eberhart (Herr Professor würden sich der Geschichte von damals wohl noch erinnern) bei ihm gewesen. Habe Der auf sie geschimpft. Das sei ein abgefeimtes Mensch. Er hätte sie ja gern gebraucht und ihr dann einen Tritt vor den holden ... gegeben (wie sich Bammer geschmackvoll ausdrückte), aber sie habe ihn nur an der Nase herumgeführt und ihm ein schmähliches Geld gekostet. »Das ist doch wohl kaum wahr,« stammelte Rother, bleich vor Wuth.
»Mein heiliges Ehrenwort!« (Wirthsleute und Demimonde haben stets ein »heiliges« Ehrenwort – doppelt hält gut). Bammer redete noch eine Weile so fort und erzählte, Wursteler sei soeben aus Hamburg zurückgekehrt. Der sei als Agent in einer Geschäftsreise dort gewesen und habe doch mal Kathi besuchen wollen. Na, der habe schöne Geschichten zu erzählen!
Rother wollte sie nicht hören und verbat sich weiteren Klatsch. Zu Hause aber sandte er nochmals einen eingeschriebenen Brief nach Hamburg, der geschickt entworfen war und mit Ernst Aufklärung und endliche Entscheidung verlangte. – –
Er starrte wild in seinem Atelier umher. Eine Verachtung all seines Besitzes ergriff ihn, des materiellen wie des geistigen – denn all sein Begehren und Sehnen war ja nur in dem einzigen Gegenstand seiner Leidenschaft concentrirt. Wozu diese schöngeschnitzten Stühle, diese persischen Teppiche, diese rothen Karawanserei-Vorhänge, diese krystallene Ampel, diese Stukkatur des Getäfels, diese brokat-purpurgestreiften Papiertapeten, dieser Rokoko-Bücherschrank mit der umfangreichen Bücherei voll von eleganten Einbänden illustrirter Prachtwerke? Wozu das Alles? Wozu sein Haben und sein Wissen und sein Können und sein sauer erworbenes bischen Ruhm in echter Kunst! Viel besser, er hätte sein Geld dazu angewandt, sich ein Reitpferd zu kaufen und die neueste Mode zu cultiviren, um ihr zu gefallen. Was »echte Kunst«! Geschäfte hätte er machen, sich zum Damenportraitmaler, Unsterblichkeitsverleiher von Spitzen-und Sammtmantillen ausbilden sollen – dann hätte er gehörig Geld zusammengescharrt und »Ruhm« bei dem Marktpöbel errungen. Geld für sich selber brauchte er zwar wenig, – aber er hätte dann für sie mehr übrig gehabt. Wozu all dieser überflüssige Atelier-Luxus und all diese verdammten Bücher und Bilder! Als ein Kleid von
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