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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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oft an reinen Zufälligkeiten scheitert, kennt den gleichen Grad unstillbaren Kummers und Aergers.
     
    Am Tag nach Absendung seines Briefes trieb es ihn, nochmals das Unglücks-Café aufzusuchen. Bammers Worte gingen ihm im Kopf herum. Vielleicht konnte ihm Wursteler doch Näheres sagen. Er traf am Buffet die schwarze Emmy. Bammer war ausgegangen. Sie sah sehr mager und leidend aus. Er unterhielt sich oberflächlich mit ihr. Ihr Befinden schien so schlecht, ihre Stimmung so gedrückt, daß sie ihrem Herzen Luft machen mußte. So begann sie denn (nach der Regel,
»Qui s'excuse, s'accuse«
) ob der Verleumdung der Welt zu klagen. Man halte sie für die Geliebte Herrn Bammers. Und doch sei dem nicht so u.s.w.
    Plötzlich erschien Herr Wursteler. Früher etwas »kaduk« gegen »Herrn Professor«, entfaltete er diesmal eine ordentliche Cordialität, setzte sich vergnügt an dessen Tisch und wurde ganz familiär.
    »Nun, waren Sie schon in Hamburg?« fragte er.
    »Ich? Wie sollte ich dahin kommen?«
    »Nun, Kathi sagte es mir.«
    Rother war auf der Hut. Vorsichtig suchte er den Unbefangenen zu spielen. Wer von Beiden würde den Andern zuerst aufs Glatteis führen?
    Wursteler klatschte mit hundert Pfaffenkraft drauf los.
    Kohlrausch sei ruinirt, miserabler Geschäftsman, Pleite stehe vor der Thür, und so ging es fort. Rother streute nur ab und zu ein »So?« ein, regte sich auch nicht, als Wursteler erzählte, ganz Hamburg halte sich auf über das Verhältniß von Kathi zu Kohlrausch. Er wolle sie heirathen. »Na, ich habe Kathi gewarnt! Daß Du Dich nicht mit dem Windikus einläßt, sagt' ich! – Na, Sie wollen sie ja heirathen.«
    »Wer sagt das?« fuhr Rother auf.
    »Wer denn anders als Kathi?« Wursteler that sehr verwundert. »Ihre erste Frage, als sie mich sah, war: ›Was macht Herr Rother?‹ Und dann hat sie mir gesagt: ›Der will mich heirathen!‹«
    Rother lachte gezwungen auf und murmelte etwas von »Frecher Lüge!« Er möge so was mal im Scherz ... Aber als er ging, sah er in dem frechen Gesicht des Catilinariers die verächtliche Frage: Glauben Sie, Sie täuschen mich? Solch ein junger Mann und kräftiger Malermeister, und solch eine Sentimentalität für so Eine! – (Bammer und Wursteler hegten den wüthenden Haß ungesättigter Begier für das Weib, das ihrer Brunst entronnen war.)
    Rother aber setzte sich hin und schrieb stehenden Fußes einen fulminanten Brief. So viel sah er ein – hier lag doch etwas vor, er mußte Gewißheit haben. Sein ganzer Stolz bäumte sich auf. Ihm war, als ob er auf tausend Nägel und Nadeln trete, als ob seine Nervenstränge blutig entzweirissen. Morden oder selbstmorden, sich umbringen oder einen Andern – – sein Zustand grenzte aus Hysterische. Ein ekelvoller Dunst und Brodem schien vor seinem Hirn zu schwimmen, halb ohnmächtig fiel er aufs Sopha zurück – – Othellos wirres Lallen von den »Verfinsterungen« fiel ihm ein. Aber diese halb unbewußte Ideen-Association wirkte zugleich als Gegengift. Wie ein Rasender sprang er auf und reklamirte dumpfknirschend vor sich hin, mit stoßweisem Herausströmen des rhetorischen Flusses, daß Salvini und Rossi an ihm ihre Freude gehabt hätten:
     
    »So soll mein blutiger Sinn in wüthigem Gang
    Nie rückschaun noch zur sanften Liebe ebben,
    Bis eine vollgenügend weite Rache
    Dies Weib verschlang.«
     
    Sein Brief strotzte von Beleidigungen mitleidiger Verachtung. Zugleich aber beging er in der Raserei den groben Fehler, schwere Injurien gegen Kohlrausch – er nannte ihn »Louis« – und größenwahnsinnige Betonungen seiner Würde einzuflechten. »Die Liebe ist ja ganz nett,« schloß diese verrückte Epistel, »aber der Ruhm steht mir doch noch höher.«
    Der Ruhm des guten Eduard Rother! –
    Aber sobald der Brief abgesandt, befielen ihn wieder Skrupel. Sollte es wirklich wahr sein? Konnte sie so rasch vergessen? War ihr Fuß so glitschrig geworden auf ihrer schlüpflichen Laufbahn, daß sie unaufhaltsam dem Abgrund entgegentrieb? Daß er sich umsonst dagegenstemmte? Daß sie gleichgültig über ihn wegtrat?
    Hat sie wirklich vergessen, daß ein Mensch lebt, der sie retten möchte? Ja, möchte sie denn gerettet sein? Und weshalb will sie nicht? Ist sie denn ganz verderbt? Nein, das kann ich Niemandem zugestehn. Wenn ich es glaubte, würde ich wahnsinnig werden. Nein, es ist nicht so. Ich muß das wissen. Denn warum liebe ich sie sonst so übermächtig, mit so unzähmbarem Instinkt? Warum, ja warum? doch liebe ich

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