Größenwahn
sie, werde sie ewig lieben.
So wurde diese schwache sinnliche Natur hin- und hergerissen.
Bald sah er sie in seinen Armen mit lüstern brutalem Ausdruck und malte sich's herrlich aus, diese rüde Urnatur zu einer »Dame« wenigstens äußerlich zu entwickeln. Dann sah er sie wieder in ihrer naiven Anmuth, ihn neckisch und liebenswürdig gängelnd.
Was konnte nun geschehn! Sein Brief mußte Alles entscheiden. Er befand sich in fieberhafter Erregung. Die nächste Post kam – richtig, ein Brief von ihr. Eine gepreßte Resedablüthe lag dabei.
»Ihre beiden Briefe habe ich erhalten, daß Sie so lange keine Antwort erhielten darf Sie wohl nicht wundern wenn Sie wie Sie oft sagten mit mir fühlen – – – mir geht es bis jetzt hier ganz gut, was die Zukunft bringt weiß ich nicht; mein Sinn ist stets veränderlich; bitte thun Sie mir den einzigen Gefallen und horchen Sie auf keinen Klatsch! Die Wahrheit habe ich Ihnen gesagt und hoffentlich glauben Sie mir mehr als bewußten klatschsüchtigen Zungen; Bescheid über meine Gesinnungen kann ich Ihnen bis jetzt noch nicht geben. Denn wenn ich auch nicht an die Aufrichtigkeit Ihrer Gesinnungen zweifele, kann ich mir bis jetzt doch noch nicht recht vorstellen, daß dies – bald zur Wahrheit werden könnte. Doch Schicksalsbestimmung erfüllt sich auch ohne menschliche Mühe (daran glaube ich) hoffentlich auch Sie. Ich will Ihnen nun nicht mehr länger Ihre kostbare Zeit rauben und grüße Sie auf weiteres bestens.
Kathi K.«
Lange starrte er auf den Brief. Er suchte zwischen den Zeilen zu lesen. Jedenfalls stand ihm eins fest: Die Berichte Wurstelers konnten unmöglich Wahrheit sein. Denn falls sie dann immerhin zu einem solchen Briefe fähig war, so hätte in ihr jedes Schamgefühl erstickt sein müssen.
Sie hatte also seinen letzten Brief noch nicht erhalten. Was nun thun? Was wird sie nun schreiben? Sollte er bereuen, was er geschrieben? Nein. Das mußte die Entscheidung bringen.
Ah, da kam sie. Er brauchte nur einige Stunden zu warten, als ein andrer Brief von ihr eintraf.
»Vor allem Andern bitte meinen gestrigen Brief als nicht empfangen zu betrachten und dann theile ich Ihnen in diesem meinem letzten Schreiben mit, daß ich keinen Brief mit Ihrer Handschrift je mehr annehmen werde, denn ich wüßte wahrhaftig nicht warum ich stets die Zielscheibe Ihrer Grobheiten sein soll, oder glauben Sie etwa durch Ihren ehrenwerthen Antrag (auf den ich aber schon im Stillen verzichtet hatte, nebenbei bemerkt) dieses Recht erworben zu haben? Nein, mein lieber Herr, hier haben Sie sich in der Adresse geirrt, ich bin gar nicht heirathslustig, namentlich in diesem Falle – – beruhigen Sie sich und denken Sie so wenig an mich, wie ich an Sie, dann erlösen Sie eine arme Seele aus ihrer Qual. Sie sagten, Sie wollen mich retten – – ängstigen Sie sich nicht um mich und verwerthen Sie Ihre Menschenfreundlichkeit zu besseren Zwecken – wenn ich auch untergehe wie Sie meinen, haben Sie jedenfalls die Beruhigung, nicht zu meinem Untergang beigetragen zu haben. Zu guter Letzt sage ich Ihnen nur noch:
Wer niemals hinter der Thür gestanden, sucht keine Anderen dahinter, ich nehme bestimmt an, daß Sie Herrn Kohlrausch gar nicht kennen und bringen es fertig solche Beleidigungen auszustoßen – – wenn Sie Etwas zurückhaltender wären, würde man von dem guten Ton, den Sie so sehr rühmen, eine bessere Meinung haben; nun gut, Alles rächt sich auf Erden.«
Dieser nicht nur verlogene, sondern geradezu rohe Brief, welcher trotz des Tones beleidigter Unschuld darin eine tiefe seelische Gemeinheit athmete – mit der Absicht, groben Treubruch und schlimme Dinge hinter den Coulissen zu verstecken – hätte gleichwohl Rothers hartnäckigen Glauben an sein Ideal nicht zu erschüttern vermocht, wenn nicht zugleich ein andrer Brief aus Hamburg eingetroffen wäre. Dieser war von Herrn Kohlrausch, dem ominösen
Deux ex machina
in höchsteigner Person.
Dies originelle Schriftstück zierte einen Quartbogen, mit einer mächtigen Druckfirma-Ueberschrift nebst Stempel, und verlautbarte sich also:
»Herrn Rother.
Berlin.
Obwohl ich schon früher erfuhr, in welcher erbärmlichen Weise Sie mich grundlos beleidigten, so rechnete ich solche Wuthausbrüche auf Conto Ihres jähzornigen, von Eifersucht durchtriebenen Hirns z.B. die Bezeichnung: › Galgenvogel visage!‹ Heute aber haben Sie mich in einer Weise durch Briefe an Frl. K. beleidigt, daß ich Sie ersuche, mir
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