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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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rechts von ihm Marten die Stahlwand anstarrte.
    Es ruckte. Er zählte mit, es ruckte in einem Zweisekundentakt. Gleichmäßig, rhythmisch, unaufhörlich.
    Sie warteten, dass er aufhören würde, aber der Grolar machte immer weiter. Meter um Meter. In den kurzen Pausen hörte sie sein Schnaufen und das Nageln des Jenny im Leerlauf.
    »Er hört nicht auf«, sagte Tara.
    »Mami.«
    Sie hielt seinen Kopf fester und sagte, »Ist gut, ist ja gut.«
    Sie klammerten sich aneinander.
    »Doch, bestimmt, irgendwann, irgendwann hört er auf«, meinte Jon mit einer Stimme, die ihn selbst nicht überzeugen konnte.
    »Was ist denn los? Was ist denn los hier, verdammt noch mal?«, schrie Tara wie von Sinnen, und Cliff begann, hemmungslos zu weinen.
    Jon schaute Marten nach einer Antwort an. Er saß nur stumm da.
    »Bitte seid ruhig«, flüsterte Jon ihnen zu.
    Er hielt eine Hand über den Türschlitz und legte seine Stirn dagegen. Als der Bär schob, konnte er nichts erkennen, so sehr zitterte die Welt da draußen. In den Sekunden, wo er Schwung nahm, sah er zehn Meter weiter den Rütteltisch im Weg. Den Platz hatten sie bereits überquert.
    Gleich würde es leicht bergab gehen, das Schieben würde ihm leichter fallen. Jon entschied sich, diesen Gedanken für sich zu behalten.
    »Solange wir hier drinnen sind, sind wir sicher«, sagte er.
    Tara rief, »Das muss doch irgendwann aufhören! Hör auf! Stop! Stop!«
    Sie wippte vor und zurück.
    Wieder linste Jon durch den Spalt. Seine Befürchtung bewahrheitete sich, auf dem abschüssigen rutschigen Gelände kam der Bär schneller voran als oben auf dem Plateau.
    Links von ihnen musste die Siebtrommel liegen, unmittelbar vor ihnen stand der Rütteltisch. Für den Tisch hatten sie extra diese Plattform aus Brettern gebaut, weil er exakt austariert werden musste, damit sie das beste Ergebnis erreichen konnten. Und das hatte sich ausgezahlt. Die Plattform stoppte den Container, machte sie nicht nur reich, sondern rettete ihnen vielleicht sogar das Leben. Es rummste einige Male gegen die Rückwand, dann ließ der Bär ab.
    »Was ist?«, fragte Marten.
    »Ende der Reise. Der Boden vom Rütteltisch, wir sind dagegen gestoßen, nichts geht mehr«, sagte Jon.
    Er sah auch noch etwas anderes durch den schmalen Schlitz. Ganz unten an der Tür lag die 49er Baseballcap von Andy. Er behielt es für sich.
    Der Grolar inspizierte das Hindernis, er stampfte auf den Bretterboden, und die Holzplanken barsten unter seinem Gewicht. Die Bestie zögerte nicht und zerschlug das Zelt, den Tisch und den Boden. Splitter prasselten gegen den Container, während der Grolar bei jeder Bewegung knurrte.
    Jon rückte von der Türe ab, konnte aber nicht seinen Blick von ihr abwenden, denn dauernd schepperten Holz und Metallteile dagegen und erzeugten ein krankes Stakkato, eine Symphonie unkontrollierbarer Zerstörungswut.
    Tara hielt Cliff die Ohren zu.
    Leise sagte Jon, »Er zerlegt den Rütteltisch.«
    Das wäre eine Investition, die Marten und er nun obendrauf tätigen müssten. Plus die Zeit, die sie dadurch verlieren würden. Sein Kollege zeigte keine Regung. Sie wohnten als blinde Zuhörer dem Schauspiel bei.
    Es war schwer zu schätzen, wie lange es dauerte, irgendwann flogen keine Kleinteile mehr gegen den Container.
    Der Bär schnaufte erschöpft von der Anstrengung, aber er war nicht müde genug, um von ihnen abzulassen. Der Grolar schob wieder, und der Container zermalmte die Überreste des Rütteltisches.
    Durch die Schräglage auf dem schiefen Boden rutschten die Müllsäcke ständig auf sie zu. Sie warfen die grauen Beutel mit einer Gleichgültigkeit nach hinten, als handelte es sich um eine gottgegebene Strafe. Scharen von Fliegen flogen gegen Jons Kopf, als würde er ohne Helm auf einem Motorrad durch einen Dschungel fahren.
    Ihm gegenüber saß Tara, die den Kopf seitlich auf Cliffs gelegt hatte.
    Unter ihnen knirschte der Metallboden über die Steine und den Sand.
    Jon riskierte einen Blick durch den Türspalt. Vor ihnen lag nun der See in der aufgehenden Sonne.
    Der See, dachte Jon, nein, was wäre, wenn sie das Wasser erreichen würden? Der Container würde unweigerlich voll Wasser laufen. Wie schnell? Im schlimmsten Fall würden sie zwanzig oder dreißig Meter rausgetrieben, bevor der Innenraum so vollgelaufen

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