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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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und in den Wald. Sie schluchzte auf, Tränen rollten ihre Wangen herunter, und der Körper schüttelte sich vor Angst und Trauer und Schmerz.
    Der Grolar stampfte um den Pick-up und den Baum herum, bis er wieder am Heck angekommen war. Dort setzte er die Vorderbeine auf das Ende der Ladefläche und drückte und schob. Die Ladeklappe brach ab, und er fegte sie mit einem Prankenhieb zur Seit. Drehend schlitterte sie über den Kies.
    Blech verzog sich, es knarrte und quietschte, der Kühler des Fords ruckelte und bebte unter ihr, die Karosserie ächzte unter der Last am Heck. Dann hob sich die zerstörte Front des Fords unter der Last des Bären am Heck, und der Grolar wuchtete den Truck wie eine gigantische Wippe nach oben, bis auf die Hälfte ihrer Höhe, bevor der Kühler wieder gegen den Baumstamm krachte und diesen derart überraschend und stark erzittern ließ, dass Kelly nach einem weiteren Ast greifen wollte, durch ihre Bewegung und dem Gewicht an ihrem Bauch aber den Halt verlor und in die Tiefe stürzte.
    Zeit für einen Schrei hatte sie nicht. Der Fall war stumm und kurz und der Aufprall hart im schwarzen Schlund des Motorblocks.
    Sie lag mit ihrem Rücken mitten auf der Maschine, über ihr die Motorhaube und die Baumkrone, die sich rasch entfernte, das erkannte sie durch ihren verschwommenen Blick. Für den Pick-up ging es wieder abwärts. Wie eine überdimensionale Reibe schrappte der Kühler über den Baumstamm, Rindensplitter regneten auf sie nieder, bis die Räder auf dem Boden auftrafen und in die Radkästen durchschlugen, worauf die schwere Motorhaube auf sie fiel.
    Ihre Knie, ihre Füße, Knöchel, ihre Rippen, Arme und Kopf wurden gequetscht. Jetzt schrie sie vor Schmerz auf, sie wusste, Knochen waren gebrochen, Gelenke zertrümmert, und bevor sie irgendetwas unternehmen oder feststellen konnte, dass sie wehrlos war, machte die Wagenfront einen Satz zur Seite, weg von dem Baum. Beim jähen Abstoppen wurde sie hin und her geworfen.
    Die Motorhaube konnte aufgrund ihres Körpers nicht ganz schließen. Durch den Spalt sah sie die dunkle Straße und als Silhouette ihren Zeigefinger, der abstrus lose von der Hand hing und ihrem Willen nicht mehr gehorchte.
    Sie wimmerte, schluckte einen Schwall Blut und hustete den Rest an das Blech über ihr.
    Sekundenlang passierte nichts. Reglos erwartete sie ihr Schicksal, nachdem sie probiert hatte, sich zu bewegen und eingesehen hatte, wie aussichtslos das war, einzig beseelt von der Hoffnung, der Bär würde von ihr ablassen, würde ins Camp zurückmarschieren und sie hier vergessen.
    Doch der Wagen setzte sich in Bewegung, immer schneller rumpelte er über das unebene Gelände zurück auf die Straße, wo jedes Schlagloch weitere Prellungen und Stauchungen bei ihr verursachte. Der Ford fuhr ohne Motor, und ihr war klar, dass die Bestie ihn von hinten anschob wie ein Spielzeug. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als die Motorhaube schließen zu können, um nichts mehr sehen zu müssen und um still ihr Ende zu erwarten. Sie kniff die Augen zu, biss auf ihre lockeren Zähne im Unterkiefer, taub gegenüber all ihrer Schmerzen, jenseits des Lebens, Spielball seiner Willkür, und sie sah sich schon gegen einen weiteren Baum prallen und dem Stahlgerüst des Motorblocks aufgespießt sterben, aber der Ford hielt seine Richtung auf der Straße und wurde langsamer. Bis zur Schrittgeschwindigkeit.
    Bis er ausrollte.
    Stehen blieb.
    Stille.
    Hatte er dem Wagen lediglich einen Schubs gegeben? Hatte der Bär sie am Ende so gerettet, vor sich selbst?
    Konnte das sein? Sie schluckte Blut und ein Schluchzen herunter, sie empfand diese Situation schlimmer als ihre Befürchtung, bei einer weiteren Kollision zu sterben.
    Sie hörte sein Stapfen. Sie hörte sein Schnaufen. Als würde der Wagen atmen. Und dann erschien das Auge des Bären an der Seite der Motorhaube und linste hinein.
    Kelly war zu schwach und zu verletzt, um sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, die Motorhaube festzuhalten, irgendetwas zu unternehmen, um das Unabwendbare zu vermeiden. Sie lag da wie ein überfahrenes Tier auf der Landstraße, noch nicht ganz tot, bei vollem Bewusstsein, wehrlos, machtlos, auf ihr Ende wartend. So sah sie den Grolar, wie er seinen Schädel schief legte und die Schnauze in den Spalt der Motorhaube schob, sie öffnete wie eine Auster.
    Sie wollte ihn anflehen und hörte sich durch

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