Grolar (German Edition)
jetzt zu spät dafür, aber er wusste auch nicht so richtig warum. Er könnte sie in den Arm nehmen und Sachen sagen, dass alles wieder gut werden würde. Gefährliche Situationen schweißten andere Paare enger zusammen, Tara und er drifteten immer weiter auseinander, weg von dem anderen, wie zwei Schildkröten, die ihre Köpfe und Beine einzogen sogar die Blicke vermieden.
An der geriffelten Wand aus Stahl strich etwas entlang. Sie spannten ihre Körper an. War er das, der Grolar?
Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hörten sie das markante Schnüffeln am Türspalt, und sein Schatten fiel mit dem Streifen Licht ins Innere des Containers bis auf Marten, der sich nicht rührte.
Jon vernahm ein leises Rascheln, Cliff schmiegte sich enger an Tara. Der Schatten stoppte in seiner Bewegung und knurrte ein gutturales Grollen.
Die Fliegen reagierten mit lautem Summen, als könnten auch sie Gefahr spüren.
Cliff quiekte vor Angst, und der Bär brüllte laut den Container an. Metallern schienen die Wände mitzuschwingen.
Ihnen blieb nichts anderes übrig, als still sitzen zu bleiben. Einen Schuss konnten sie durch den engen Schlitz nicht abgeben.
Der Grolar schlug mit seiner Vordertatze gegen die Tür, und seine Krallen klackten und schlierten wie Kreide auf einer Tafel über den Stahl. Jon hoffte, seine messerscharfen Krallen würden nicht den Gürtel zerschneiden, mit dem sie die Tür von innen verschlossen hielten. Aber selbst dann würde der Bär die Türe aufziehen müssen, und auf einmal glaubte er, das wäre gar nicht so schlecht, denn dann könnte Marten einen gezielten Schuss abgeben.
Wütend umkreiste der Bär den Container, schlug hier und da gegen die Wände, als suchte er die Schwachstelle.
Jon flüsterte an Cliff gerichtet, »Keine Angst, wir sind hier sicher, dicker Stahl überall, da kommt er nicht durch.«
Sein Sohn antwortete nicht, aber das war ihm nicht so wichtig, wichtiger war, dass er die beruhigende Stimme seines Daddys gehört hatte.
Der Container bebte, sie mussten sich mit den Händen abstützen, damit sie nicht umfielen. Der Grolar warf sich anscheinend mit seiner ganzen Masse gegen den Stahlkäfig. Jeder Aufprall wie ein kleiner Auffahrunfall.
»Au«, machte Tara.
»Was?«, fragte Jon.
Er bekam keine Antwort.
Einige Male wurden sie kräftiger durchgeschüttelt. Der Bär versuchte es von allen Seiten.
Warum ließ der Bär sie nicht in Ruhe? Warum sie? Warum terrorisierte er nicht die Natur? Andere Tiere? Warum ging er nicht im Wald auf Jagd? Oder plünderte das Küchenzelt, den Kühlschrank dort? Da gab es Nahrung für ihn. Jede Menge! Er interessierte sich nur für sie. Für Menschen.
Dann hielt er inne.
Kein Stapfen, kein Schnaufen.
Jon wagte gar nicht die Hoffnung auszusprechen, er hätte vielleicht von ihnen abgelassen. Als könnte er so den möglichen Zauber zerstören.
Draußen dämmerte der Morgen, und der schmale Streifen im Türspalt spendete ihnen mehr Licht. Er konnte die Augen der anderen weiß aufleuchten sehen, wenn sie blinzelten.
»Ob er weg ist?«, flüsterte Tara.
»Vie...«, Jon wollte antworten, doch in diesem Moment donnerte der Grolar gegen die Rückwand, mit einer solchen Wucht, dass die gestapelten Müllsäcke auf sie herunterpurzelten. Rasch warfen sie die stinkenden feuchten Beutel von sich. Cliff heulte los.
Dabei vernahmen sie ein sandiges Knirschen. Metall auf Kies. Und sie zitterten, aber nicht aus Angst, sondern wegen den kurzen ruckartigen Bewegungen des Containers, der vom Bär angeschoben wurde.
Der Bär schob den Container.
War das möglich?
Zentimeter für Zentimeter.
»Gott, was hat er vor?«, rief Tara in den Lärm.
»Der hat nichts vor«, sagte Jon, »es ist ein Bär, ein Tier.«
»Wie kann er den Container schieben?«
»Wiegt ja nichts. Das bisschen Müll. Und wir.«
»Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich ...«
Er beugte sich vor, Marten zog die Beine an, und Jon kniete so breit wie möglich auf allen vieren, um die Erschütterungen auszugleichen. Er legte die Hand auf ihr Knie, »Der gibt bestimmt gleich auf. Er schiebt uns zwei Meter oder drei und hört auf. Ist ja schwer auf Dauer.«
Jon zog die Hand wieder zurück, weil Tara keine Reaktion zeigte. So kniete er vor ihr und Cliff, während
Weitere Kostenlose Bücher