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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Begleiterin. Kräftig und
etwas zu ausgiebig schüttelte er ihnen die Hände. Mit einer raschen
Richtungsänderung vermied es Lisa, dem Botschafter über den Weg zu laufen. Sie
wollte ihm nicht ihre Aufwartung machen müssen. Überhaupt achtete sie darauf,
sich nirgendwo im Gebäude länger als ein paar Minuten am Stück aufzuhalten. So
umging sie es, von einem der zahlreich anwesenden Spitzenbeamten angesprochen
zu werden, die ohne Begleitung erschienen waren.
    Der Grund für die Festlichkeit stand zwar auf ihrer Einladung -
wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Kunstwerk zu tun, dessen tiefere
Bedeutung ihr vermutlich auf alle Zeit verborgen bleiben würde - nachgelesen
hatte Lisa allerdings nicht. Es interessierte sie keine Spur. Man hatte
arrangiert, dass Michael Gromek auf diesem Empfang erscheinen würde. Sie wollte
sich einen Eindruck von ihrem Rendezvous verschaffen. Das allein war der Grund
ihrer Anwesenheit. Lisa bemerkte, dass sie nervös war. Immer, wenn sie das Glas
an die Lippen hob, zitterte ihre Hand.
    Nur Minuten später betrat Gromek die Empfangshalle der Botschaft.
Das Quintett spielte ›Eine kleine Nachtmusik‹ auf. Er trug einen gutsitzenden
dunkelgrauen Hugo Boss -Anzug mit Weste, farblich dazu passendem Hemd und
Streifenkrawatte. Achtlos ging er an dem Kunstwerk in der Mitte der Halle
vorbei, überhörte geflissentlich Mozarts Serenade Nr. 13 und hob abwehrend
eine Hand, als einer der Kellner an ihn herantrat, um ihm ein Glas Sekt
anzubieten. Offensichtlich hielt er missmutig Ausschau nach einer ganz bestimmten
Person. Michael Gromek schien genauso ungern hier zu sein, wie Lisa selbst es
war.
    Sie beobachtete seine Ankunft aus sicherer Entfernung vom reich
gedeckten Buffet aus. In ihrer Nähe standen vier ausgesprochen hübsche junge
Mädchen; keines von ihnen konnte älter als 18 Jahre alt sein. Sie teilten sich
eine Flasche Moët et Chandon . Zusammen schlürften sie den Champagner,
unterhielten sich und kicherten ununterbrochen. Zu Lisas Verwunderung schienen
auch die Mädchen Gromek zu beobachten.
    Und er schien ihnen gut zu gefallen.
    »Bonsoir, Monsieur Gromek. Es freut mich, dass es Ihnen möglich
war, sich kurzfristig Zeit zu nehmen und bei unserer kleinen Party heute Abend
zu erscheinen.«
    Der schmächtige junge Mann, der Michael Gromek kaum spürbar von
hinten an der Schulter berührt hatte, lächelte nervös, als dieser sich umdrehte.
Der Assistent des Referatsleiters des Büros für kulturelle Angelegenheiten
schien zu wissen, dass sich sein Gegenüber in Geheimdienstkreisen bewegte. Und
mit solchen Leuten hatte er ganz gewiss nicht alle Tage zu tun.
    »Excusez-moi, mein Name ist Serge Borell. Ich bin Mitarbeiter im
Stab des Kultur-Attaché.«
    Er deutete eine höfliche Verbeugung an und streckte Michael Gromek
seine schmale, bleiche Hand entgegen. Doch dieser tat, als hätte er die Geste
nicht gesehen.
    »Also sind Sie der Mann, der mir verraten kann, warum man mich
herbestellt hat!? Ich wüsste nämlich ganz gern, worum es hier geht.«
    In Gromeks Stimme vernahm Serge Borell einen Unterton, den er nach
kurzer Überlegung als feindselig einstufte. Er entschied sich, möglichst
diplomatisch vorzugehen.
    »Äh, ja, sozusagen.«
    »Ja oder nein?«
    »Äh, ja.«
    »Und?«
    »Äh, die Sache ist die: Sie wurden uns empfohlen. Man ... man ließ
uns wissen, Sie seien ... genau der Richtige dafür.«
    »Wer hat mich empfohlen und wofür soll ich der Richtige sein?
Mann, reden Sie endlich.«
    Serge Borell, der nur eingesprungen war, um einem Kollegen aus
einem anderen Referat einen Gefallen zu tun, war sich plötzlich nicht mehr
sicher, ob sein Gegenüber tatsächlich der Richtige für die Sache war. Er
überlegte, ob er Gromek mit einer Ausrede wieder wegschicken sollte. Aber zu
einer solchen Entscheidung war er nicht befugt. Außerdem: Woher sollte er so
schnell einen Ersatz für diesen Mann bekommen? Gerade als Serge Borell auf
Gromeks Frage antworten wollte, sah er über dessen Schulter und erblickte den
französischen Botschafter, der lachend auf sie zukam. Spätestens jetzt war es
sinnlos geworden, über eine andere Besetzung für den Auftrag nachzudenken.
    Gromek folgte dem Blick des Auskunft unwilligen Borell und wandte
sich um. Den französischen Botschafter erkannte er sofort. Dieser reichte ihm
zur Begrüßung die Hand und fasste ihn gleichzeitig vertraulich am Ellenbogen.
Gromek unterdrückte seinen Unmut und erwiderte die Geste. Er brachte es sogar
fertig, seinen Mund zu

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