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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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Boden gestreckten Hecken herumstutzten, Beete harkten und ebneten, dass sie wieder wie im Frühling aussahen, schwarz und feucht, frisch und schön.
    Wenn er nachts aufwachte, hatte er es im Kopf, vor Augen schon das gesamte Bild der neuen Anlage. So fertig vor Augen und ganz durchgestaltet, nur noch wachsen, dachte er, müsste es. Fast dankbar war er den Tieren in diesen Momenten, wenn er die Pflanzen aufmalte in seinem Kopf. Magnolien, Hortensien, auch sonst einiges, das er noch vor kurzem verworfen hätte. Jelängerjelieber. Dabei wusste er, dass er dessen, was im Spiel der Vorstellungskräfte wie fliegend sich zusammenfügt, nicht habhaft wird ohne den Aufwand von Handarbeit, Kraft und Geduld; mit einem genialen Gedanken ist es nicht getan. Es werde sich schon eine Lösung finden, hatte er anfangs gedacht; bis er begann, schon in diesem Aufschieben eine wenigstens vorläufige Lösung zu sehen, und endlich merkte, dass aus dem Vorläufigen etwas Festes geworden war.
    Hier herrscht Ordnung, würde Schramm ironisch sagen können, zum Bruder und zu der Frau, es machte ihn übermütig, leichtsinnig schon. Er würde ihnen erzählen, von den beiden Sommerfrischlern, die kürzlich erst von der Dämmerung, dann von einer Rotte Schwarzwild überrascht worden waren und keine andere Zuflucht gewusst hatten als die in der Nähe des Parkplatzes aufgestellten Mülltonnen. Bis zum Morgengrauen, erfuhr man später, hatte das Paar dort ausharren müssen, ehe die Polizei eingriff. Nicht besonders tief im Wald hatte sich das ereignet, unweit des Ortes, beim Naherholungsgebiet, wo der Trimmdichpfad endete, die Bauruine stand, wo Viktor mit seinen Mädchen hingegangen war.
     
    Sobald der Hang nicht mehr direkt besonnt war, gegen sechs Uhr, wurden die umliegenden Grundstücke besprengt. Eine geschlagene Stunde beregneten Klaußners ihren Rasen, man konnte die Uhr danach stellen. Und zugeben, dass heute nichts Neues angefangen, nichts Angefangenes mehr zu Ende gebracht würde. Einmal der Arbeit den Rücken zugedreht, wischt sie sich selbst aus dem Blick, aus dem Sinn. Es fehlt einem nichts, wenn man sie auf immer vergisst. Und wann, dachte Schramm, hatte er überhaupt je einmal etwas zu einem Ende gebracht.
    An den einen Tag musste er denken, als er eine misslungene Stunde gehalten hatte, und dass es bei dem einen Tag nicht geblieben war. Und dabei konnte er diesen Umstand an nichts festmachen, an keinem Fehler. Nicht, dass alles aus dem Ruder gelaufen wäre. Im Großen und Ganzen nach Plan vorgegangen war er, nicht anders als sonst, doch schon beim Pausenzeichen war er von seinem Scheitern überzeugt gewesen. Es beschwerte sich zwar niemand, auch nicht, als es sich wiederholte. Niemandem außer ihm selbst war es aufgefallen, dieses an wenigen Punkten nur spürbare Nachlassen der Konzentration, in Zeitfalten geglittene Absencen. Aber er wusste, dass er unter Beobachtung stand, wenn auch nur durch sich selbst. Einmal wachsam geworden, empfindlich für eigene Verfehlungen, fing er an, sich auf sie einzustellen, und indem er sich einstellte, häuften sie sich, bis zuletzt dem Stehen und Sprechen alle Selbstverständlichkeit genommen war. Mit einem Mal dahin war die lang erworbene, stetig gesteigerte Übung und Sammlung, verflogen, an ihre Stelle eine bislang nicht da gewesene Fahrigkeit getreten, eine auf kleinste Ablenkungen reagierende Unruhe.
    Es hatte sich niemand beschwert, selbst Waidschmidt hatte nichts merken lassen, Waidschmidt war zu jener Zeit schon nur mehr um sich selbst gekreist. Wir, sagte er neuerdings, nahm sein Mädchen an der Hand und redete nicht mehr von der Notwendigkeit eines Feindes. Und Schramm wusste nicht und würde nicht wissen, hatte der ihn angeschwärzt, hatte er alles abgeleugnet oder sich ausgeschwiegen, weil es ihm schon ganz gleichgültig geworden war, nachdem er erfolgreich, wie es hieß, Anschluss gefunden hatte. Längst anderen Dingen zugewandt, vor allen Dingen mit sich selbst beschäftigt, dachte Schramm, war Waidschmidt gewesen, doch wahrscheinlich nicht so dumm, keinen Vorteil aus der Sache zu schlagen. Er würde schon geredet haben: Im Kartenzimmer ist es passiert, dabei gewesen ist niemand, die Globen können es bezeugen. Er wusste sich auszudrücken, dumm war er nicht. Sollte er geredet haben, ihn hätten sie angehört. Mit seiner Mappe im Schoß, Mädchen an der Hand, seiner Sache gewiss. Gewiss der Folgen, die seine Rede hätte, Stichworte genügten.
    Dass man sich nie verabschiedet, dort und

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