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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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sehen, diese Schallplatte, wenn man sie schon nicht hören kann, fragte sie, worauf der Bruder, bereits zuvor in seinen Antworten immer einsilbiger geworden, bloß den Kopf schüttelte: Das willst du gar nicht.
    Sie sah Viktor an, legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander, formte zwischen hohlen Händen eine Blase, die sich dehnte, zusammenzog und wieder dehnte, in stetiger Bewegung ablenkte von ihrem von unten her schauenden Gesicht und dem verlegenen oder zufriedenen Ausdruck darin. Ganz genau einordnen ließ es sich nicht, und möglicherweise, dachte Schramm, hätte sie es selbst nicht zu sagen gewusst, nicht einschätzen können, woran sie da gerührt hatte; möglich, dass es ihr sogar ein wenig peinlich war. Wie sollte er es wissen, er kannte sie ja kaum, selbst der Bruder kannte sie dem Anschein nach erst kurz.
    Ob sie überhaupt mitkäme, es war nicht gesagt. Ebenso gut möglich, dass es auch mit dieser schon wieder aus war. Das war, was er wusste über die Geschichten des Bruders, was sich von außen beobachten ließ. Sie begannen und endeten ohne große Worte, und über die Zeit dazwischen war nichts zu erfahren. Nicht meine Freundin, betonte der Bruder nur: Wir gehören einander nicht. Schramm hatte schon erlebt, wie der Bruder lange allein, wahrscheinlich nicht glücklich gewesen war, nachdem er eine verlassen hatte. Nicht ratsam, sich einzumischen, niemand hätte etwas davon, das wusste Schramm, er hatte es schließlich einmal versucht, dem Bruder ins Gewissen zu reden. Doch blieb er nicht einverstanden mit dessen Art. Vom einen auf den anderen Tag links liegen lassen, es war nicht richtig, so sollte es nicht sein, dachte Schramm, und er war sich, auch ohne die Umstände zu kennen, immer sicherer geworden in seinem Urteil, nicht richtig, wiederholte er laut.
     
    Er würde sich heraushalten, der Teufel wusste, wie es mit dieser neuen Person stand. Keinen guten Eindruck hatte er gehabt von der Stimmung zwischen dem Bruder und dieser Frau, an diesem einen missglückten Abend, allerdings war damit noch nicht viel gesagt. Wie sie hinter ihren langen Fingern hervorgelugt, still zwischen ihnen hin- und hergesehen hatte. Sie konnte zufrieden sein. Nachdem sie nun endlich noch einmal laut gehört, was sie ohnehin längst geahnt hatte, den Bruder, den schweigend über das Entkorken gebeugten Bruder, mit ihren Fragen endlich dahin bekommen, wo sie ihn haben wollte. Und Schramm hatte noch versucht einzulenken, zu scherzen, unser Vater, hatte er ihr gesagt, war ein vollkommen unmusikalischer Mensch, leider, und unerträglich sein Hang zum Kitsch.
    Können wir jetzt bitte davon aufhören, sagte der Bruder, ich kann es nicht mehr hören, und damit stieß er sie erst richtig darauf. Ihr Gesicht, dachte Schramm, ihr unablässig aufmerksames, zutrauliches Gesicht. Und er stellte sich, mit gewissem Vergnügen, vor, sie könnte dabei sein, wenn er, vielleicht an diesem Abend noch, spät, die Rücksicht fahren ließ und ohne Umschweife sagen würde, wie es um ihn stand.
    Nicht der Tod des Vaters, sagte Viktor oft, hätte den entscheidenden Unterschied gemacht, weder einen entscheidenden Unterschied noch einen Einschnitt. Kein Ereignis, das die Abläufe teilte in ein Davor und ein Danach, an dieser Meinung hielt er fest. Erst kürzlich hatte er behauptet, dass er oft von einer Geschichte, einer Begebenheit nicht zu sagen wisse, ob sie noch zu Lebzeiten des Vaters stattgefunden habe oder nach seinem Unfall, ganz einfach weil der Vater schon vor diesem Ereignis nicht mehr recht da gewesen sei.
    Hier musste Schramm widersprechen, jedes Mal an dieser Stelle, er wusste es anders, wusste noch den Sommer, in dem es geschehen war, der Bruder vierzehn, er sechzehn, alt genug demnach, die Abläufe doch etwas deutlicher zu begreifen, in ihrer Abfolge zu erinnern.
     
    Wie die Frau zwischen ihnen hin- und hergesehen, sich fast unbemerkt aus der Unterhaltung zurückgezogen hatte, dachte er. Nachdem sie das Geschehen über eine lange Strecke bestimmt hatte, zurückgezogen, weil es nunmehr von allein vor sich ging, dass sie einander ins Wort fielen, einander die Erzählungen korrigierten, als ginge es nicht um einfache, kaum zu verdrehende Sachverhalte.

G egen Ende des Sommers war der Unfall geschehen, Ende August, an einem der übertrockenen, windlos stehenden Tage, an denen die Mutter sich mit ihren Freundinnen im Garten sonnte, Schramm seine Bahnen zog. Als der Bruder sich bald täglich Geld lieh, bald täglich zu spät nach

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