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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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sie nun. Jeder einzelne durchströmte die Welt wie Blut aus Licht und hüllte sie in unsichtbaren, warmen Glanz. Donnernd brach der Strom der Scherben aus der Schuppe. Er durchschlug Kayrons Brust, und als er den Jäger in den Himmel hob und mit goldenem Feuer überzog, da flog ein Lächeln über dessen Gesicht und ließ es ganz jung werden. Einen Moment lang schaute Kayron zu Rima hinab, und etwas Sanftes legte sich auf seine Lippen, etwas wie … Frieden. Dann ging ein Rauschen durch die Flammen, und der Jäger verbrannte zu schwarzer Asche, die der Wind davontrug.
    Rima fiel neben dem Drachen auf die Knie. Die Wunde in seiner Brust war schrecklich anzusehen. Sein Blut hatte die Klippe schwarz gefärbt, doch seine Augen waren offen und leuchteten in strahlendem Gold. Ihr Herz raste, als sie die Hand nach ihm ausstreckte, und die Kälte seines Körpers drang gewaltsam in ihren Leib. Rima fuhr zusammen, aber sie ließ die Schuppe nicht fallen, und als sie diese auf seine Wunde legte, da ging ein Flüstern durch die Luft, das ihr jeden Schmerz nahm. Die Schuppe glomm auf, und noch ehe sie begann, den Drachen zu heilen, ging ein Bild hindurch: Es zeigte ihren Vater, er ritt auf einem Schwarzen Drachen durch den flammenden Himmel über der Klippe, hielt sich an ihm fest wie ein Kind und riss die Faust in die Luft. Als sie den höchsten Punkt erreichten, entfachte der Drache ein Feuer auf seiner Haut, ein Feuer aus Dunkelheit, das sie beide in tosendem Donner verzehrte. Aschewolken stoben über das Meer und legten sich auf die Klippe, doch Rima bemerkte es kaum. Ihr Blick hing am Himmel, dort, wo ihr Vater eins geworden war mit dem mächtigen Drachen, erlöst von Krankheit und qualvollem Tod – dort, wo für einen Moment ein schneeweißer Stern in der Dunkelheit schwebte. Sie spürte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, als sich die Schuppe in silbernem Licht auflöste und die Wunde des Drachen heilte, aber sein Blick wärmte sie wie eine Umarmung. Ihr Vater war nicht verschlungen worden von einem Feind. Er war gerettet worden von einem Freund.
    Rima wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatten, als der Drache sich langsam aufrichtete. Ein samtener Glanz überzog seinen Körper, und als er die Schwingen ausbreitete, spiegelte sich für einen Augenblick das Mondlicht auf seinem Leib und färbte ihn silbern. Sie streckte die Hand nach ihm aus. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass er die Klippe verlassen würde, das Kleine Tal, vielleicht die ganze Bekannte Welt. Rima wollte ihn daran hindern, um jeden Preis, nichts lag ihr mehr am Herzen. Langsam neigte er vor ihr den Kopf, und da hörte sie noch einmal seine Stimme in ihren Gedanken, eine Stimme aus tausend Farben und Stürmen, und dieses Mal verstand sie, was er sagte.
    Erinnere dich.
    Die Glut seiner Augen strich ihr über die Wange, und als sie die Hand zurückzog, hielt sie eine silberne Schuppe zwischen den Fingern. Atemlos schaute sie zu dem Drachen auf. Keine Waffe war es, die er ihr geschenkt hatte, sondern mehr, viel mehr als das. In ihren Händen, schimmernd wie ein Juwel, lag ein Gedanke, erschaffen aus dem Licht des Mondes.
    Für einen Moment saß sie wieder mit ihrem Vater auf dem Felsen, sah den sanften Ausdruck auf seinen Lippen, als er gen Westen blickte, und fühlte die flammenden Farben des Himmels auf ihrer Haut. Sie meinte, ein Lächeln in den Augen des Drachen zu erkennen. Dann wandte er sich ab und erhob sich mit rauschenden Schwingen in den Himmel.
    Rima setzte sich auf den Findling. Sie strich über den Stein, und erstmals, seit ihr Vater sie verlassen hatte, spürte sie etwas wie Stille in ihrer Brust, eine zugleich warme und kalte, eine goldene Stille, von Schatten umgeben. Vielleicht, so dachte sie, als sie dem Drachen nachschaute, würde sie eines Tages seinen Namen erfahren. Vielleicht würde er eines Nachts zu ihr zurückkehren.

WENN EINER EINE REISE TUT
von Christoph Hardebusch
    Als nach einem heißen Sommertag erste Tröpfchen auf das Kopfsteinpflaster fielen, sahen viele Bewohner des kleinen Städtchens überrascht nach oben. Innerhalb von wenigen Augenblicken wurde aus leichtem Regen ein derartig starker Schauer, dass die Einwohner hastig Schutz suchten.
    An dem alten Stadttor im Süden trieb das garstige Wetter drei Gestalten zusammen, die sich gemeinsam unter dem alten Gemäuer unterstellten. Einst hatte eine große Mauer die kleine Stadt umspannt, doch da nun schon lange kein Krieg mehr drohte, war das beständige Wachstum

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