Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
»Da weiß man ja nicht, was schlimmer ist, Zauberer oder Briganten!«
Eigentlich waren sie alle drei der Meinung, dass es kaum ein größeres Übel als Zauberer geben konnte, Briganten hin, Räuber her, auch wenn sie bis jetzt noch keinen selbst getroffen hatten. Aber man hörte ja so einiges.
Armas sprach aus, was sie alle dachten. »Die anderen Fremden waren wohl selbst nicht besser als Briganten. Wer sonst macht so eine Reise?«
Wieder nickten sie einstimmig.
»Zieht mit Banditenpack durch die Wildnis.« Doran schüttelte den Kopf. »Das hat der alte Laufberg nicht verdient, dass sein Sohn …«
Sie malten sich schweigend und mit wohligem Grauen aus, wie eine ungewaschene Bande von Großgewachsenen, buntem Volk und Zauberern durch die Lande zog, stets bereit zu raufen, zu saufen und ehrbare Leute in etwas Unnatürliches zu verwandeln. Es war kein schönes Bild, und mittendrin war Bando.
»Die haben vermutlich ganz schön gehaust, da in Ressem und Karteg. Man will gar nicht wissen, was die Großgewachsenen in Karteg jetzt von uns denken.«
Armas sah Tiskan an. Diesen Punkt hatte er noch gar nicht bedacht – jetzt wurde er doch tatsächlich wütend auf Bando. Die Bewohner seiner Heimatstadt so im Stich zu lassen!
»Der Nachbar meiner Cousine arbeitet bei einem Schuhmacher, und dessen Geselle hat gesagt, er hat Bando spät nachts noch auf den Straßen gesehen.«
Armas dachte laut über die Bedeutung dieser Beobachtung nach: »Ob er auch hier seinen dunklen Geschäften nachgeht?«
»Er schmuggelt bestimmt seine widerwärtigen Spießgesellen in die Stadt. Die verstecken sich in seinem Schatzkeller. Passt nur auf!«
Doran brummte.
»Vielleicht sollte man die Büttel informieren.«
Sie überlegten und pafften ein wenig, dann gab Tiskan zu bedenken: »Die wissen bestimmt schon Bescheid, und man will ja keinen Ärger bekommen.«
»Mhm.«
»Eine unmögliche Familie«, zischte Tiskan. »Wohnt genau in unserer Mitte und macht immer nur Scherereien.«
Welche Scherereien er genau meinte, sagte er nicht, aber Armas vermutete, dass er so einiges gehört hatte. Er selbst konnte sich an keine konkreten Geschichten erinnern, doch sagte ihm sein Gefühl, dass auch ihm schon mehr als einmal von der unmöglichen Familie Laufberg berichtet worden war, also nickte er wissend.
Der Regen ließ etwas nach, und auch das Kraut in der Pfeife ging langsam seinem Ende entgegen.
»Unmöglich«, pflichtete Doran gewichtig bei. »Aber eigentlich hat man es ja schon immer gewusst.«
»Das haben wir nicht nötig«, gab Tiskan zu bedenken. »Wir sind eine ordentliche Gemeinde, mit guten Leuten. Dass jemand uns so ins Gerede bringt, haben wir nicht verdient, und ganz bestimmt nicht, dass der Betreffende schreckliche Spießgesellen hier anschleppt, die gewiss das Unterste zuoberst kehren werden.«
»Was denkt man jetzt nur von uns?« Armas klopfte die Glut aus seiner Pfeife. »Und muss man jetzt jede Nacht Tür und Tor verriegeln und um sein Leben fürchten?«
In den Mienen der anderen konnte er sehen, dass sie ebenso wie er einen baldigen Besuch beim Schlossschmied planten.
»Meine Herren«, sagte er knapp, nickte ihnen zu und wollte schon gehen, da der Regen inzwischen in ein leichtes Nieseln umgeschlagen war. Dann jedoch fiel sein Blick auf die Straße. Eine Gestalt kam auf sie zu, einen großen Korb voller Kohlköpfe in den Händen.
»Nein«, hauchte Tiskan und fuhr sich nervös mit der Hand über den Mund. »Bando!«
»Haltung bewahren, meine Herren«, flüsterte Doran und streckte den Rücken durch. Die beiden anderen taten es ihm gleich.
Bando Laufberg ächzte unter der schweren Last. Bauer Farfell mochte die größten Kohlköpfe haben, aber dafür war der Weg zu seinem Hof auch der weiteste. Durch den Regen war das Kopfsteinpflaster glatt, und hier und da hatten sich Pfützen gebildet.
Als er durch das Tor schreiten wollte, sah er die drei dort aufgereiht stehen, die Hände vor der Brust verschränkt, die Brauen gerunzelt. Er wäre beinahe stehen geblieben, weil ihre Blicke so feindselig waren.
Doch plötzlich blitzte ein silberner Schein vor ihnen auf und verging noch im selben Augenblick.
»Meine Herren«, grüßte Bando freundlich im Vorbeigehen, aber die drei antworteten nicht, sondern stieben davon, als habe er sie angeschrien.
Bando seufzte. »Seltsame Leute«, murmelte er leise, während er sich an der von Rissen durchzogenen Wand abstützte und einen Moment verschnaufte. Zumindest würde die Kohlsuppe heute
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