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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Haru und Skaggi auf den Handelszug treffen. Oder sie landeten irgendwann in Stirka.
    Der Binsenhut beschattete Harus Schopf vor der Sonne. Seine Haare waren so hell, dass sie im Licht beinahe blattgrün schimmerten. In der Linken schwang Haru den Schäferstecken aus Schwarzholz. Die Stäbe wurden von einer Generation der Schäfers an die nächste weitergereicht. Sie hatten ein gewundenes Ende, das als Handgriff oder zum Einfangen der Tiere diente. Bis zur Brücke über den Huckel schwatzte Skaggi an einem Stück von den geplanten Feierlichkeiten. Haru ließ das Geplapper an sich vorbeilaufen wie den Bach, der in Schleifen und Kapriolen neben ihnen hertollte wie ein junger Hund. Aber bei der Brücke aus Bruchstein, die den inzwischen aufs Doppelte angeschwollenen Bach überspannte, versiegte Skaggis Redeschwall. Er fiel zurück, rückte den Proviantsack über seiner Schulter zurecht und warf scheele Blicke in den Schatten unter dem Mauerbogen.
    Haru blieb ebenfalls stehen, um zu ergründen, was den Maulhelden einschüchterte. »Was ist los?«
    Skaggi straffte sich und tat mit Todesverachtung den ersten Schritt auf den Steinbogen zu. Dabei blieb er genau in der Mitte des Wegs und schaute weder links noch rechts. Haru bemerkte, wie leicht er auftrat.
    Demonstrativ stampfte Haru nun besonders heftig.
    »Nein!«, entfuhr es Skaggi. »Nicht so laut.«
    In diesem Moment begriff Haru, was los war. »Du hast doch nicht etwa Angst vor dem …« Er wechselte in einen flotten Tanzschritt und sang: »Brücken-Troll, Brücken-Zoll, Brücken-Troll.«
    Sein Gehüpfe brachte ihn gefährlich nah an das niedrige Mäuerchen, das der Brücke als Geländer diente. Haru geriet aus dem Takt und prallte schwungvoll gegen Skaggi.
    »Sehr komisch«, sagte Skaggi verkniffen.
    »Glaubst du etwa, der Brückentroll hat die Händler gefressen?« Haru lüpfte den Hut. »Meister Troll, darf ich vorstellen: Skaggi, der noch an Ammenmärchen glaubt. Und meine Wenigkeit, Haru, mit so vielen Flausen im Kopf, dass ich welche abzugeben habe.«
    »Wirklich lustig!« Mit stur gesenktem Blick hastete Skaggi weiter. »Brücken sind mir nicht geheuer.«
    Haru folgte ihm kopfschüttelnd. Auf dem höchsten Punkt des Steinbogens änderte sich der Ton des hindurchströmenden Wassers, und das Gurgeln klang merkwürdig hohl. Der Abendwind blies kühl und ließ Haru erschaudern. Er schloss schnell zu Skaggi auf.
    »Man erzählt das Märchen vom Brückentroll Kindern, damit sie nicht am Rand der Brücke umherstromern«, meinte Haru mit fester Stimme, um das Unbehagen abzuschütteln. »Weil dort die Steine als Erstes brüchig werden. Wenn man ausrutscht und sich den Kopf anschlägt, fällt man leicht ins Wasser und ertrinkt.«
    Skaggi drehte sich zu ihm um. Die dunklen Augen im nussbraunen Gesicht glänzten. »Vielleicht stimmt ja, was du sagst. Aber ich habe schon unheimliche Dinge im Moor erlebt. Es war sehr dumm, dass du den Wassergeistern unsere Namen verraten hast.«
    »Hier auf der Straße sind wir doch sicher. Erzähl mal, was du erlebt hast.« Gewiss hatte Skaggi sich bloß vor dem Ruf eines Fischreihers erschrocken.
    »Ein andermal.« So redselig Skaggi eben noch gewesen war, so zugeknöpft wirkte er jetzt.
    Haru wechselte auf den Randstreifen der Straße. Aus Langeweile zählte er die Schnecken, die in der aufziehenden Abendkühle silbrige Spuren über den Wegrain zogen. Bei der zwanzigsten knurrte sein Magen. »Es wird Zeit für eine Rast.«
    »Du willst schon aufgeben?«, fragte Skaggi.
    »Wer hat was von aufgeben gesagt? Ich habe Hunger.«
    »Du wirst es ja wohl noch bis zum Beerendieb aushalten. Wir können ein Zimmer nehmen. Vielleicht weiß jemand im Gasthaus, was mit dem Handelszug passiert ist.«
    »Ich hör wohl nicht richtig?«, empörte sich Haru. »Der Beerendieb liegt in Reblingen.«
    »Am Rand von Reblingen«, korrigierte Skaggi. »Es ist der beste Gasthof an der Straße.«
    »Du meinst, der einzige. Und nein, ich betrete ganz bestimmt kein feindliches Territorium.«
    »Wer ist jetzt albern?« Skaggis Augen funkelten.
    »Ich habe kein Geld eingesteckt.«
    »Aber ich …«
    »Als künftiger Ehemann meiner Schwester solltest du deine Münzen zusammenhalten«, trumpfte Haru auf.
    Verärgert runzelte Skaggi die Stirn. »Hältst du mich für einen Bettler?« Seine Hand fuhr in die Tasche der Weste und blieb dort einen Moment, ehe er sie wieder herauszog.
    Haru, der vergeblich gehofft hatte, dass Skaggi etwas Besonderes hervorzauberte, hüstelte. »Auf

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