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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Sterne.«
    »Gold«, wiederholte Haru unwillkürlich.
    Skaggi sah auf und fing sich wieder. »Der Riese musste ein Fürst gewesen sein, denn er trug Schmuckspangen und verzierte Waffen. Ich hätte gerne noch länger zugeschaut, aber die Männer schickten mich fort.«
    »Von einem Fürstengrab im Sumpf habe ich noch nie gehört«, warf Haru ein und ärgerte sich sofort, weil das wie Unglauben klang.
    »Das war kein Grab. Seine gequälte Miene, die ausgestreckte Hand – ich bin sicher, der Riese starb an Ort und Stelle.« Skaggi seufzte. »Ich wünschte, ich hätte ihn nicht gefunden.«
    »Wieso?« Obwohl Skaggi kein guter Erzähler war, schlug die Geschichte Haru in unsichtbare Fesseln. Er genoss den Grusel wie einen seltenen Wein, der auf der Zunge prickelte.
    »Die Männer und mein Vater stritten sich deswegen. Die anderen wollten das Geheimnis und das Gold für sich behalten. Aber mein Vater gab in Stirka Bescheid, und nach einigen Tagen holte ein Fuhrwerk den Riesen ab. Von dem Schmuck aber war zu dem Zeitpunkt nichts mehr übrig.«
    »Hat den jemand gestohlen?«, fragte Haru.
    Skaggi lachte bitter. »Die Torfstecher haben den Schatz noch im Moor unter sich aufgeteilt und jeden zu einem Eid gezwungen, darüber zu schweigen. Bald darauf zogen wir nach Broichhus. Denn obwohl mein Vater ihr Geheimnis auch weiterhin bewahrte, grollten ihm die Verschwörer.«
    Aufgeregt sprang Haru auf. »Du hast gerade deinen Eid gebrochen.«
    Auch Skaggi erhob sich. »Nein. Nur die Erwachsenen mussten Stillschweigen schwören. An mich hat keiner gedacht.« Er hüstelte. »Und wenn wir bald verschwägert sind, bleibt es in gewisser Weise ja in der Familie. Oder?«
    Haru wich Skaggis bohrenden Blicken aus. Dieses Wissen bot ihm die einmalige Gelegenheit, den Reblingern eins auszuwischen. Aber wer hatte überhaupt Anspruch auf so einen alten Fund? Trotzdem, er würde den Kopf fortan höher tragen, wenn er einem Reblinger begegnete. Diebsgesindel.
    »Ich muss dir etwas zeigen. Du sollst nicht denken, dass du einen Hungerleider zum Schwager bekommst.« Skaggi zog die Hand aus der Tasche und öffnete sie.
    Darin lag ein aus schwerem Metalldraht geflochtener Reif, der mit drei Edelsteinen besetzt war. Die Steine waren klein, bloße Funken, aber sie gleißten im Sternenlicht wie flüssiges Feuer. »Mein Hochzeitsgeschenk für Reseli.«
    Der Schmuck war viel zu groß für einen Ring, aber zu eng für einen Armreif. Erst als Haru den Dorn bemerkte, mit dem das Geschmeide versehen war, erkannte er, dass das eine Brosche war. So einen Schatz hatte er nicht erwartet, geschweige denn je gesehen. »Woher stammt das?«
    »Als die Männer den Riesen wegtrugen, habe ich den losen Torf durchwühlt. Ich war ärgerlich, weil sie mich fortgeschickt hatten, obwohl ich den Toten gefunden habe. Und wie ich so Erdklumpen zwischen den Fingern zerdrücke, hatte ich auf einmal diese Spange in der Hand.«
    Skaggi schien einen Moment zu bewundern, wie die Sterne sich in dem Metall spiegelten, dann schloss er die Finger wieder um das Kleinod und steckte den Schmuck in der Innentasche fest.
    Haru vermisste den Glanz jetzt schon. »Warum hast du sie nicht verkauft?«
    »Geld ist nicht alles! Die Gewandspange ist das Schönste, was ich je besessen habe. Deswegen soll den Schmuck meine Allerliebste bekommen.« Skaggi sah ihn herausfordernd an. »Bin ich dadurch nun würdiger, in die Familie Schäfer einzuheiraten, oder verachtest du den schmutzigen Torfstecher noch immer?«
    »Ich ver … mh, ich meine, wenn Reseli dich mag, ist das für mich genug. Meine kleine Schwester …« Haru verstummte.
    »Sie ist dein Augapfel, ich weiß.« Skaggi schüttelte den Mantel aus, streckte sich darauf aus und machte es sich am Feuer bequem. »Ach ja, heute Morgen, da wollte ich dich nicht angreifen. Ich hab mit der Flachserei nur versucht, das Eis zu brechen.«
    Das gab Haru Stoff zum Nachdenken. Es musste vor zehn Jahren für Skaggi nicht einfach gewesen sein, Heim und Freunde zurückzulassen, selbst wenn es nichtsnutzige Reblinger waren. Reselis Liebe hatte er auch gegen den Widerstand einiger Dorfleute und ohne Reichtümer gewonnen. Versuchte er nun, Harus Respekt zu kaufen?
    Haru wickelte sich in den Mantel und legte sich hin. Als er die Lider schloss, funkelten vor seinem inneren Auge die Steinchen immer noch in blauweißem Feuer.
    Haru wälzte sich von einer Seite auf die andere. Seine Fantasie beschäftigte sich mit dem Schatzfund und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

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