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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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versuchte, Anschluss zu halten. Der bloße Gedanke, alleine in dieser erstickenden Wolke zurückzubleiben, schnürte seine Kehle zusammen.
    In der Hast trat er in ein Kaninchenloch, und bis er seinen Fuß befreit hatte, waren die anderen außer Sicht. Er hörte sie streiten. Aber im Nebel trugen Stimmen weit.
    »Jost? Tay?«, rief er. »Wartet auf mich.« Da, ein entferntes Rascheln. Haru drehte sich angstvoll im Kreis und versuchte, die Quelle zu bestimmen. Furcht umklammerte sein Herz mit Eisfingern. »Jost?«
    Links vor ihm glomm ein fahler Ball. Haru lief auf den hellen Flecken zu. Hatte er endlich den Rand des Nebelfelds erreicht? Das konnte kein Moorlicht sein, hier auf der Heide. Bestimmt war es der Mond. »Ich habe was gese …« Harus Stimme erstarb.
    Ein gewaltiger Schemen ragte vor ihm auf wie ein Tor für Riesen. Der Glanz ging von den Steinen aus, zwei wuchtigen Menhiren unter einer Deckplatte. Feine Lichtfäden liefen wie Silberadern durch den Fels. Sie bewegten sich über die Oberfläche, bildeten Formen, als seien Wesen darin eingesperrt.
    Der Handgriff des Hirtensteckens in seiner Faust schien leicht zu vibrieren. Im Bann des kalten Lichts trat Haru einen Schritt auf das Hünengrab zu, und dann noch einen. Der Raum zwischen den Steinen klarte auf. Haru hörte ein Sausen und fühlte den unwiderstehlichen Drang, unter das Grab zu laufen. Er stapfte näher, dann packte eine riesige Hand seine Schulter.
    Skaggi klebte geradezu an Harus Lippen. »Und?«, fragte er vornübergebeugt.
    Haru schluckte. »Es war Jost, der nach mir gesucht hatte. Der hat mir den Schreck meines Lebens eingejagt.«
    »Aber was geschah weiter?«
    »Als ich mich wieder zu den Steinen umdrehte, war alles vorbei. Der Nebel verhüllte das Grab, und die Steine ruhten wie, nun ja, Steine eben. Jost erklärte uns hinterher, was passiert war.«
    »Und?«
    »Vermutlich benebelte Glühwürmchen, die sich kurz auf den sonnenwarmen Steinen ausgeruht hatten und von der nächsten Nebelwand verschluckt worden sind.«
    »Ach.« Skaggi klang enttäuscht. »Und das war alles?«
    »Natürlich. Was hast du denn gedacht? Meine Brüder und ich waren seither wohl ein Dutzend Mal bei den drei Steinen, und niemals gab es dort etwas Gruseligeres als ein Käuzchen zu finden.«
    Skaggi machte ein nachdenkliches Gesicht. »Möglicherweise ist ja etwas dran an der Sage, dass die Riesen ihre Gräber aus verwunschenen Steinen errichteten, denen weder Zeit noch Wetter etwas anhaben können, damit sie die Toten auf ewig bewachen.«
    »Warum gibt es dann nur so wenige Hünengräber, wo es doch hinter den östlichen Hügeln von Riesen nur so wimmelt?«
    Skaggi zuckte die Achseln. »Vielleicht werden nur die Verdienstvollen so begraben.« Seine Hand stahl sich wieder in die Tasche.
    Im Busch zur Linken raschelte ein Vogel, oder ein Igel auf Futtersuche.
    Plötzlich konnte Haru der Versuchung nicht widerstehen. »Sollen wir nachschauen, ob man heute wieder Glühwürmchen sieht? Es ist nicht weit von hier zum Grab.«
    Skaggi schüttelte vehement den Kopf. »Nein.«
    »Na ja, dann nicht. Jedenfalls bist du nun an der Reihe.«
    »Womit, dem Abwasch etwa?« Skaggi gähnte.
    »Nicht ablenken. Du schuldest mir eine Moorgeschichte.«
    Skaggi sah wohl ein, dass er aus der Sache nicht mehr herauskam. »Also gut. Als Junge habe ich öfter meinen Vater bei der Arbeit begleitet. Ich konnte den Spaten damals kaum heben und hab bloß ein bisschen an der Kante rumgekratzt. Jedenfalls gab es da ein paar widerspenstige Wurzeln, die ich natürlich abhacken wollte. Und dann ragte diese Hand aus dem Moor, und ich merkte, das waren gar keine Wurzelstrünke.«
    Die auskühlende Holzkohle knackte, und Haru fuhr zusammen. »Was für eine Hand?«, fragte er.
    »Eine schwarze Hand. Ich könnte schwören, dass sie kurz gezuckt und mich mit dem Zeigefinger näher herangewunken hat.« Skaggi erschauderte sichtlich bei der Erinnerung. »Auf meine Rufe liefen dann mein Vater und seine Kameraden herbei. Sie hoben den Boden an der Stelle aus.«
    Skaggi verstummte und nahm einen Schluck Honigwasser aus seiner Flasche. »Da lag ein toter Riese, tief unten im Moor. Die Männer wuschen ihn vorsichtig ab. Seine Haut war dunkel wie das Sumpfwasser, aber ich konnte das Gesicht genau erkennen, und auch seine Kleidung.« Skaggis Stimme wurde leise, und er wirkte in sich gekehrt. »Sein Mund war verzogen, als habe er im Tode Schmerzen gelitten. Und das viele Gold … die Gemmen. Die Steine glitzerten wie

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