Große Liebe Desiree
geküßt.«
»Wie sollte ich das wissen?« Sie wünschte, er würde nicht so dicht bei ihr stehen. Es erinnerte sie zu sehr daran, wie sie sich gefühlt hatte, als er sie küßte. Nie zuvor hatte sie etwas so Wunderbares empfunden. »Berücksichtigen Sie meine Erfahrungen mit Engländern. Ich habe nicht die Absicht, so etwas ... so etwas wie letzte Nacht noch einmal geschehen zu lassen.«
»Sie haben recht«, erwiderte er grimmig, »es wird nicht wieder passieren.«
Weil es nicht passieren durfte, nicht, weil er es nicht wollte. Er war ihr jetzt so nahe, daß er den Schatten jeder einzelnen Wimper auf ihren Wangen sehen konnte und den Glanz auf ihren Lippen, die sie gerade befeuchtet hatte -Himmel, alles, was er wollte, war, sie in den Armen zu halten und das berauschende Glück wiederzufinden, an das er sich so gut erinnerte.
Aber die Entschiedenheit seiner Worte hatte sie verletzt, und sie senkte den Blick, um ihren Schmerz zu verbergen. Das hatte sie doch gewollt. Warum also tat die Zurückweisung so weh?
»Miss Sparhawk?«
Sie wollte sein Mitleid nicht und auch nicht seine Sympathie. Sie schob ihre Hände tiefer in den Muff und reckte entschlossen das Kinn empor. »Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum ich glauben sollte, was Sie über Obadiah gesagt haben?«
Er sah sie mit seinen blauen Augen verblüfft an. »Das fragen Sie mich, obwohl ich Ihnen einen Brief von Ihrem Bruder brachte, den er selbst geschrieben hat? Trotz der Münze? Was soll ich noch tun?«
Sie hob den Kopf noch höher. »Sie verlangen viel von mir, Kapitän Herendon.«
»Und Sie, meine Liebe, verlangen noch mehr. Hören Sie auf meine Worte, denn ich will verdammt sein, wenn ich sie noch einmal sage. Sie sind bereit, eine ganze Nation und mich zu verurteilen wegen der Tat eines einzelnen Mannes. Aber um Ihres Bruders willen werde ich Ihnen vergeben. Um Ihres Bruders willen, haben Sie das verstanden? Alles, was ich von Ihnen verlange, ist, daß Sie mir genug vertrauen, um ihm zu helfen.«
Sie nickte und wünschte verzweifelt, es gäbe noch eine andere Möglichkeit außer der, die zu wählen sie gezwungen war. Warum nur, warum hatte ihr Bruder von allen Männern ausgerechnet diesen zu seinem Vertrauten gemacht? »Ich werde über Ihre Worte nachdenken. Ihnen einen schönen Sonntag, Kapitän Herendon.«
»Zwei Tage, Madam«, rief er ihr nach, als sie durch das
Kirchenschiff davonging. »Zwei Tage für Sie zum Nachdenken, und keinen Tag mehr. Ich habe die Absicht, Providence am Dienstag zu verlassen, und das werde ich auch tun. Mit Ihnen oder ohne Sie.«
»Großmama, du mußt das lesen!« Noch immer außer Atem, denn sie hatte sich sehr beeilt, nach Hause zu kommen, gab Désirée ihrer Großmutter Obadiahs Brief. Die ältere Frau blinzelte und hielt das Blatt auf Armeslänge von sich weg, ehe sie mit einem Seufzer die schlafende Katze von ihrem Schoß jagte und steifbeinig zum Fenster ging.
»Gott im Himmel, in was hat der Junge sich diesmal hineingeritten?« sagte sie schließlich mit sorgenvoller Miene. »Wie bist du an diesen Brief gekommen. Désirée?«
»Der Engländer brachte ihn.« Niedergeschlagen setzte Désirée sich auf einen Stuhl. Sie nahm ihre Schute ab und ließ sie an den Bändern hin und her pendeln. »Das war der Grund für sein Kommen gestern. Großmama, wenn man dem trauen kann, was er sagt, dann ist Obadiah in weit größeren Schwierigkeiten, als dieser Brief uns glauben machen will.«
Die Worte sprudelten nur so heraus, als Désirée alles wiederholte, was Kapitän Herendon ihr erzählt hatte, bis zu seinem Angebot, sie mit nach England zu nehmen, um ihren Bruder zu retten.
»Angeschossen und eingesperrt als Spion.« Die ältere Frau schüttelte den Kopf und sah starr auf den Brief, den sie mit den Fingern glattstrich. Ihre Augen glänzten vor Tränen, und Désirée erschrak. Großmama weinte nie, oder wenigstens niemals, wenn jemand es sehen konnte. »Gütiger Gott im Himmel, was ist nur aus dieser Familie geworden.«
»Ich wünschte, Jeremiah wäre hier«, sagte Désirée sehnsüchtig. »Jeremiah würde wissen, was zu tun ist.«
»Nun, er ist nicht da«, entgegnete ihre Großmutter mit scharfer Stimme. »Und er wird auch nicht rechtzeitig in Providence eintreffen, um Obadiah helfen zu können.«
Die Tränen verschwanden aus Mariahs Augen. Sie wichen einem Ausdruck von Entschlossenheit, der sie um Jahre jünger erscheinen ließ. »Ich sehe nur eine einzige
Möglichkeit, und das solltest du
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