Große Liebe Desiree
gestrigen Tag«, sagte er leise. Er war nicht einmal sicher, ob sie wach war und ihn hören konnte.
Aber sie war wach, und sie stützte ihr Kinn auf seine Brust, um ihm zuzuhören. »Du kannst dir keinen Vorwurf machen, Jack. Du hättest genauso leicht getötet werden können.«
»Vielleicht.« Sie sollte nicht wissen, wie nahe er daran gewesen war. »Die Männer kennen die Gefahren. Mir tut es vor allem um die Jungen leid. Wir haben gestern drei von ihnen verloren.«
»Es tut mir leid.« Das bezog sich sowohl auf die toten Jungen als auch auf Jack.
Er seufzte tief. »Der älteste von ihnen war erst dreizehn. Was mögen sie getan haben, frage ich mich, daß ihre Eltern sie als Kinder in den Krieg schickten?«
Désirée runzelte die Stirn. Sie kannte Jack gut genug, um die Veränderung in seiner Stimme nicht zu überhören. »Kein Elternpaar, das seinen Sohn liebt, würde so etwas tun. Welche Sünden sollten Jungen in diesem Alter begangen haben?«
»Die Marine war die härteste Strafe, die mein eigener lieber Vater festsetzen konnte.« Désirée spürte seine wachsende Anspannung. »Er überlegte, ob er mich an die Türken verkaufen sollte, aber er meinte, sie würden mich zu sehr verwöhnen. Der Kadett auf der Andromache wurde nicht verwöhnt. Eine Woche zuvor hatte ich noch im Schulzimmer in Rosewell meine Lektionen aufgesagt, und dann sah ich den zerschmetterten Kopf eines anderen Jungen, nachdem wir einen Zusammenstoß mit den Franzosen hatten. Aber was meine Sünden betraf - o ja, ich hatte es verdient, und wie!«
»Ich kann das nicht glauben, Jack!« sagte Désirée entsetzt. »Du warst erst zehn Jahre alt. Was kannst du getan haben, daß du so bestraft wurdest?«
»Es hat gereicht.« Die Nacht war warm, es war beinahe Mittsommer, der Himmel noch grau von der Abenddämmerung. Sein Vater war in jenem Monat auf Rosewell gewesen. Mit ihm war die überhebliche Schauspielerin gekommen, die gerade seine Geliebte war, und eine ganze Schar ihrer dummen, kreischenden Freunde. Sie veranstalteten einen Maskenball und nahmen keinerlei Notiz von den Kindern Seiner Gnaden. Als Jack an den großen Fenstern vorbeilief, die auf den Garten hinausgingen, sah er all die Teufel und Harlekine und Schäferinnen, wie sie in juwelenbesetzten Masken betrunken unter den Lüstern tanzten.
Julia wartete auf ihn hinter dem letzten steinernen Satyr. Mit ihrem offenen Haar sah sie im bleichen Mondlicht gespenstisch aus. Sie war barfuß und hatte ihr Kleid vorn angehoben, um die Kuchen, die sie in der Küche gestohlen hatte, mitnehmen zu können.
»Du bist spät dran, Kamerad. Wir haben Männer schon für weniger kielgeholt. Schnell jetzt, sonst verpassen wir die Flut. «
»Jack, Liebster, sieh mich an«, sagte Désirée. »Es ist gut, hörst du mich? Es ist gut.«
Er starrte sie an, sein Herz hämmerte wie wild, er fürchtete sich vor dem, was er getan oder gesagt hatte.
»Die Wunde auf deinem Rücken ist aufgegangen«, sagte sie besorgt und hielt ihm ihre Finger entgegen, die blutverschmiert waren. »Es war mein Fehler, ich weiß. Ich hätte dich ruhen lassen sollen, und nun sieh, was passiert ist. Ich werde Harcourt und den Arzt holen.« Sie erhob sich auf die Knie, um aus der Koje zu klettern.
»Nein, Désirée, geh nicht.« Der Schmerz, der von der blutenden Wunde an seiner Schulter ausging, war nichts im Vergleich zu seiner Angst, daß sie ihn verlassen könnte. Er stemmte sich hoch und griff nach ihrem Handgelenk. »Désirée, bitte! Glaub mir, Harcourt und die anderen werden noch Gelegenheit haben, sich um mich zu kümmern. Und was den Fehler betrifft - wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich sicher wieder lieber auf den Schlaf verzichten als auf dich.«
Sie lächelte unsicher und strich ihr Haar hinter die Ohren zurück. »Bist du sicher?«
»Natürlich, bin ich sicher.« Als er sie sanft zurückzog, gab sie nach. Erleichtert ließ er sich auf das Kissen zurücksinken. Verdammt, die Schulter tat weh. Was Julia und Rosewell und alles übrige betraf - das war nur seiner Erschöpfung zuzuschreiben, Geister, hervorgerufen von den Anstrengungen der letzten Tage. »Es ist nur - jetzt, da ich dich endlich habe, Liebste, kann ich den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren, und sei es auch nur für einen Moment.«
Noch nicht ganz überzeugt, legte Désirée sich seufzend neben ihn. »Oh, aber du wirst mich nicht verlieren, Jack«, sagte sie in dem Versuch, fröhlich zu sein. »Jedenfalls ist die Gefahr größer,
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