Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
städtebauliche Erneuerungen zu einer Art Imperialisierung des Erscheinungsbildes der Metropole. Die Meeresideologie hatte in der neuen Herrschaftsidee einen wichtigen Platz, denn Seeherrschaft bildete einen unverzichtbaren Bestandteil feldherrlicher Tüchtigkeit und universaler Macht. Schon Caesar hatte seinen Vorstoß nach Britannien als ozeanische Eroberung stilisieren lassen, und Pompeius der Große (106–48 v. Chr.), der Piratenbezwinger, sah sich als «Hüter der Erde und des Meeres». Octavian, der nun Augustus hieß, wurde zum «Hüter des Römischen Reiches und Lenker des gesamten Erdkreises». Der Triumph auf dem Meer und über das Meer sowie die Vorstöße bis an den
Okeanos
, der sich nun auch dem Willen römischer Feldherren beugen musste, wurde Teil der römischen Weltherrschaftsideologie. Seefahrt wurde zum Symbol des Sieges über dumpfe Naturgewalt:
Navigare necesse est –
«Seefahrt tut not», wie es der römische Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus auf den Punkt gebracht haben soll.
Nach Actium hatte die Römische Flotte für ein halbes Jahrtausend zur See keinen ernstzunehmenden Gegner mehr. Erst der VandalenkönigGeiserich konnte in den 460er Jahren die römische Seeherrschaft ernstlich, wenn auch nur kurz, erschüttern. Der unbestrittene Besitz des Mittelmeeres legitimierte für lange Zeit das Imperium. Über anderthalb Jahrtausende später wird es in der Nähe von Actium wieder eine gewaltige Seeschlacht mit geruderten Kriegsschiffen geben: Lepanto. Es wird der letzte große Massenkampf mit solcherart Schiffen sein, denn bald werden Segel als alleinige Antriebsmittel dienen. Und die Erinnerungen an den römischen Bürgerkrieg? Sie konnten nun als ein Sieg über einen unrömischen Weichling überschrieben werden. Shakespeare hatte Recht, als er in seinem 1607 verfassten und 1623 erschienenen Theaterstück
The Tragedy of Antony and Cleopatra
die eingangs zitierten Worte dem Octavian in den Mund legte. Es gab tatsächlich keinen Raum für beide in der Welt. So resümiert er schließlich: «Daß nicht den Einsturz solcher Macht verkündet/Ein stärkres Krachen! Soll der Welt Erschüttrung/Nicht Löwen in der Städte Gassen treiben/Und Bürger in die Wüste? Antonius’ Tod/Ist nicht ein einzeln Sterben: denn so hieß/Die halbe Welt.»[ 24 ]
4. Konstantinopel 674–678
FEUER AUF DEM WASSER
Die Erfindung eines Flammenwerfers rettet Byzanz vor der arabischen Eroberung
Wie alle Kriegsführung wird gerade auch diejenige zur See von technischen Innovationen beeinflusst, doch selten hat eine militärische Erfindung einen so nachhaltigen Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte genommen wie das Griechische Feuer. Im Kampf um Konstantinopel, die Hauptstadt des Oströmischen Reiches, bewahrte es die Stadt und damit zugleich das Reich vor der Eroberung durch die Araber. Vielleicht rettete es sogar Europa. Als frühmittelalterliche Geheimwaffe zeugt das Griechische Feuer zugleich von dem Entwicklungsvorsprung, der das Reich der Rhomäer gegenüber den Gesellschaften im Westen auszeichnete. Dazu gehört auch, dass die Herrscher am Bosporus über die administrativen und finanziellen Ressourcen zum Unterhalt einer Flotte verfügten, von denen die Herrscher im Abendland zu dieser Zeit nur träumen konnten.
Das Flammenschwert des Cherub
un, fast sieben Jahrhunderte nach der Fleischwerdung des Herrn, war es da, das Ende. Der seit langem prophezeite Untergang des Römischen Reiches schien unabwendbar, und Konstantinopel, die märchenhaft reiche und prächtige Wunderstadt am Bosporus, drohte zu fallen. Ein riesiges arabisches Heer lag auf der Landseite vor den Mauern des zweiten Rom, und eine überlegene Flotte schnitt die Metropole auch von der Seeseite ab. Nur ein halbes Jahrhundert nach dem Tode ihres Propheten Mohammed setzten seine Anhänger zum entscheidenden Sturm auf das Machtzentrum des östlichen Imperium Romanum an. Und obwohl dessen Mauern aus der Zeit des Kaisers Theodosius II. (408–450) zu den mächtigsten Verteidigungsanlagen der Welt gehörten, schien es lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis die Stadt in die Hände der Araber fallen würde, denn in der eingeschlossenen Stadt machte sich mehr und mehr der fehlende Nachschub bemerkbar. Wie lange würde sie noch standhalten können?
Da geschah plötzlich ein Wunder: Während sich die Araber mit der Aufrechterhaltung der Blockade abmühten, erschienen große byzantinische Kriegsschiffe, an deren Bug sich bis dahin noch nie gesehene
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