Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Beatty: «Ich habe mich noch nie so ‹ausgeschlossen› gefühlt. Ich konnte mir überhaupt kein Bild von der Lage machen. Stand die feindliche Schlachtflotte nun voraus, querab oder achteraus?» Und angesichts einer Vielzahl von Mündungsblitzen, die Jellicoe zwar sah, aber nicht zuordnen konnte, stöhnte der verzweifelte Admiral: «Ich wollte, jemand könnte mir sagen, wer dort schießt, und worauf man schießt!»[ 26 ]
Die Lagebeurteilung seines Gegenspielers Scheer war nicht viel klarer.[ 27 ] Aufgrund der noch in den Kinderschuhen steckenden Funktechnologie, die auch ohne Feindeinwirkung leicht ausfiel, blieben die Flottenkommandanten auf die sehr begrenzten Möglichkeiten der Kommunikation durch Flaggsignale und Sirenen angewiesen. Dadurch glichen die beiden Admirale Jellicoe und Scheer «Blinden, die einen Wagen nach den Anweisungen anderer fahren, Blinden aber, die jeden Augenblick die Sehkraft zurückgewinnen konnten, dann die Entscheidung über die günstigste Gefechtsformation für 20 und mehr Schlachtschiffe zu fällen hatten und entsprechend klare Befehle erteilen mußten – und das mit der Schnelligkeit, mit der ein Autofahrer einem Hund ausweicht.»[ 28 ]
Klar war Jellicoe lediglich, dass er unmittelbar vor dem Zusammentreffen mit dem Feind stand. Doch weder wusste er um dessen genaue Stärke noch um seine Gefechtsaufstellung, noch kannte er die Position der Deutschen, außer dass sie sich irgendwo in grob südlicher Richtung befanden – aber auf welchem Kurs? Als das Spitzenschiff von Jellicoes rechter Divisionskolonne, das Schlachtschiff
Marlborough
, um 18 Uhr die sich mit hoher Fahrt von Südwesten nähernden Schlachtkreuzer Beattys ausmachte und das sofort an Jellicoes Flaggschiff, die
Iron Duke
, meldete, ließ Jellicoe signalisieren: «Wo steht die feindliche Schlachtflotte?» und erhielt daraufhin die abermals unbefriedigende Antwort: «Feindliche Schlachtflotte auf Südsüdwest gesichtet» – ohne irgendwelche Angaben zu Stärke, Geschwindigkeit und Kurs des Gegners.
Um 18:15 Uhr entschloss sich Jellicoe zu handeln. Er ließ seine 24 Schlachtschiffe Gefechtskiellinie bilden und mit hoher Geschwindigkeit auf Kurs Südost-zu-Ost gehen – eine Instinktentscheidung, mit der er hoffte, vor Scheers Gefechtslinie «den T-Strich zu ziehen», also jenes berühmte«Crossing-the-T»-Manöver zu vollführen, bei dem die eigene Schlachtlinie das geballte Feuer ihrer Breitseiten auf die Führungsschiffe des Gegners konzentrieren konnte.
Jellicoes Intuition sollte sich auszahlen, doch bevor es so weit war, mussten die Briten abermals herbe Verluste hinnehmen. Das Jellicoes Hauptstreitmacht östlich vorausfahrend aufklärende 1. Kreuzergeschwader unter Konteradmiral Robert K. Arbuthnot machte etwa zur gleichen Zeit, da Jellicoe Gefechtskiellinie bilden ließ, den nach schweren Treffern manövrierunfähigen deutschen Leichten Kreuzer
Wiesbaden
aus. Bei der Annäherung, um ihn zu versenken, gerieten die britischen Panzerkreuzer unversehens in das Feuer der Hochseeflotte. Schon nach wenigen Minuten explodierte Arbuthnots Flaggschiff, der Panzerkreuzer
Defence.
Von den 903 Mann Besatzung überlebte nicht ein einziger. Der Panzerkreuzer
Warspite
wurde so schwer getroffen, dass er aus dem Gefecht ausscheiden musste und vor dem Erreichen des Heimathafens sank. Und um 18:35 Uhr explodierte zum dritten Mal an diesem Tag ein britischer Schlachtkreuzer, das Flaggschiff
Invincible
des Konter-Admirals Horace Hood, an der Spitze des britischen III. Schlachtkreuzergeschwaders. Dieses lieferte sich, ebenfalls weit östlich der Hauptstreitkräfte, mit den inzwischen arg mitgenommenen Schlachtkreuzern Hippers ein Gefecht über die für Großkampfschiffe sehr geringe Distanz von 9 bis 10.000 Metern. Dabei erhielt die
Lützow
weitere acht schwere Treffer, was dazu führte, dass Hipper dasFlaggschiff wechseln musste und die
Lützow
in der folgenden Nacht aufgegeben und von der eigenen Besatzung versenkt wurde.
Der angeschlagene Riese: Die Schlacht vor dem Skagerrak begann mit dem Aufeinandertreffen von englischen und deutschen Schlachtkreuzern, einem relativ neuen Schiffstyp, der die schwere Artillerie-Ausstattung der Schlachtschiffe mit der hohen Geschwindigkeit von Kreuzern verbinden sollte. Das konnte jedoch nur auf Kosten der Panzerstärke gelingen, wie vor allem die Engländer schmerzhaft feststellen mussten. Doch auch das Foto des 1913 in Dienst gestellten Schlachtkreuzers
SMS Seydlitz
lässt die Wirkung der
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