Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Ansichten Mahans, und das Deutsche Reich begann mit dem Bau einer Schlachtflotte, deren Ziel es war, im Kriegsfall stark genug zu sein, die Royal Navy zur Schlacht zu stellen.Dabei kam es nach Tirpitz’ Meinung gar nicht darauf an, die Engländer zu besiegen, was angesichts des unübersehbaren britischen Vorsprungs in der Flottenrüstung nicht nur einstweilen, sondern auch mittel-, ja langfristig eine selbst der begeisterungsfähigen deutschen Öffentlichkeit schwer zu vermittelnde Utopie dargestellt hätte. Nein, Tirpitz verfolgte zunächst bescheidenere Ziele: Die deutsche Flotte musste, um als wirksames Druckmittel zur Durchsetzung von Weltmachtambitionen dienen zu können, lediglich so stark sein, dass eine Seeschlacht für England derartig große Verluste mit sich zu bringen drohte, dass die Royal Navy dadurch riskierte, einem zweiten Konkurrenten zur See, etwa Frankreich oder Russland, nicht mehr gewachsen zu sein. Das Konzept der «Risikoflotte» war geboren.
Zu einem Risiko entwickelte sich Tirpitz’ Flottenkonzept freilich zunächst einmal für die Außenpolitik des Deutschen Reichs. Denn die traditionell guten Beziehungen zu den «Vettern jenseits des Kanals» mussten naturgemäß darunter leiden, dass die Engländer in der deutschen Flotte genau das sahen, was sie war: eine Bedrohung. Die Reaktion auf diese Bedrohung folgte bald, und wie die deutsche war auch die englische Flottenrüstung mit einem Namen verbunden: Admiral John «Jacky» Fisher.
Wettrüsten und deutsche Ratlosigkeit
Fisher, wie sein Kontrahent Tirpitz aus bürgerlichen, anders als dieser jedoch aus ärmlichen Verhältnissen stammend, machte sich nach seiner Ernennung zum Ersten Seelord im Jahre 1905 mit vorurteilsfreiem Furor an die Modernisierung der britischen Marine und ließ zu diesem Zweck erst einmal binnen weniger Jahre mehr als 150 ältere Kriegsschiffe verschrotten.[ 14 ] An ihre Stelle traten Einheiten, die den rasanten technischen Fortschritt bei Antrieb, Panzerung und Artillerie erkennen ließen. 1906 wurde die
HMS Dreadnought
auf Kiel gelegt, ein Schlachtschiff, das einen solchen technischen Quantensprung darstellte, dass von nun an Kriegsschiffe in solche der «Dreadnought-Zeit» oder aber der «Vor-Dreadnought-Zeit» unterteilt wurden. «Vor-Dreadnought-Schiffe» waren ihren moderneren Kontrahenten im Seegefecht nahezu wehrlos unterlegen.
Auf deutscher Seite reagierte man zunächst bestürzt, dann energisch auf die Herausforderung durch die Dreadnought-Klasse, indem man seinerseits die technischen Neuerungen übernahm und nach Möglichkeit zu übertreffen suchte. Gemäß dem strategischen Konzept, das von einer gewaltigen Entscheidungsschlacht der Großkampfschiffe ausging, legten die deutschen Ingenieure bei den neuen Schlachtschiffen der «König-Klasse» vor allem auf den Schutz durch schwere und schwerste Panzerung Gewicht, doch standen ihnen die britischen Kontrahenten in dieser Hinsicht schon bald nicht mehr nach.[ 15 ] Neben den Schlachtschiffen gewann im Flottenwettrüsten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs auch ein neuer Schiffstypus rasch wachsende Bedeutung, von dem sich die Admirale beiderseits des Ärmelkanals geradezu Wunderdinge versprachen: Schlachtkreuzer sollten die Vorteile von Schlachtschiffen in der Feuerkraft mit der hohen Geschwindigkeit von Kreuzern verbinden. Doch gelang diese Quadratur des Kreises nur auf Kosten der Panzerung – dies sollten in der Seeschlacht vor dem Skagerrak vor allem die Engländer schmerzhaft zu spüren bekommen.
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs verfügte die englische Grand Fleet – die nur einen Teil der ja über den ganzen Erdball im Einsatz befindlichen englischen Flotte darstellte – an schweren Einheiten über 21 Schlachtschiffe nach dem Dreadnought-Sprung, 4 Schlachtkreuzer und 8 Panzerkreuzer. Demgegenüber umfasste die deutsche Hochseeflotte nur 13 Schlachtschiffe, 3 Schlachtkreuzer und einen Panzerkreuzer.[ 16 ] Von einem auch nur annähernden Gleichgewicht der Kräfte konnte also keine Rede sein. Doch was sich sehr bald nach Kriegsausbruch als viel irritierender herausstellte, war, dass die deutsche Marinekriegsführung schlechterdings ohne adäquates strategisches Konzept in den Weltkrieg schlitterte. Im Flottenamt war man felsenfest davon überzeugt, dass die Engländer nach einem etwaigen Kriegsbeginn nichts Eiligeres zu tun haben würden, als vor die deutsche Küste zu dampfen und dort eine Entscheidungsschlacht zu suchen.[ 17 ] Entsprechend groß
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