Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
war die Überraschung, als sich zeigte, dass die Admirale der Royal Navy durchaus nicht gesinnt waren, ihren deutschen Kollegen diesen Gefallen zu tun. Sie beschränkten sich stattdessen auf eine wenig heroische, aber, wie sich bald erweisen sollte, sehr wirksame Blockade. Darunter verstand man in London die Beschlagnahmung aller Schiffe, die Waren mit sich führten, die möglicherweisenach Deutschland gelangen könnten, also auch von neutralen Schiffen. Diese Maßnahme war zwar in keiner Weise mit den gültigen Seerechtskonventionen vereinbar und stellte einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar, doch interessierten die englischen Politiker die Proteste der Neutralen umso weniger, als sie sich mit immer radikaler werdenden Forderungen der britischen Öffentlichkeit konfrontiert sahen, alles zu tun, um den Feind möglichst schnell in die Knie zu zwingen.[ 18 ]
Angesichts dieser unerfreulichen, unerwarteten, aber an sich gar nicht so überraschenden Lageentwicklung machte sich auf deutscher Seite bald eine Resignation breit, die der bisher politisch so gewandte Groß-Admiral Tirpitz in einem Brief an seine Ehefrau vom 14. September 1914, kaum sechs Wochen nach Kriegsbeginn, in die wenig hoffnungsvollen Worte kleidete: «Wenn der liebe Herrgott der Marine nicht hilft, so sieht es schlimm aus.»[ 19 ] Und es sah schlimm aus. Unter der vorsichtigen Führung der Admiräle Friedrich von Ingenohl (bis 2. Februar 1915), danach Hugo von Pohl (bis 23. Januar 1916) wagte die Hochseeflotte nur halbherzige Vorstöße, die in den Gefechten bei Helgoland (28. August 1914) und vor der Doggerbank (24. Januar 1915) mit schweren Schlappen endeten.Der Einsatz der mit gewaltigem finanziellem Aufwand gebauten Hochseeflotte litt zusätzlich darunter, dass der marinebegeisterte und trotz seines oftmals martialisch-nassforschen Auftretens im Grunde seines Wesens ängstliche Kaiser größte Scheu vor dem Verlust seiner Flotte an den Tag legte und sich die letzte Entscheidung über ihren Einsatz vorbehielt. Gleichzeitig wuchs angesichts der Patt-Situation in den blutigen Grabenkämpfen an der Westfront der Druck der Öffentlichkeit – übrigens auch in England –, dass die Marineleitung etwas wagen müsse. In der Marineleitung verbreitete sich die Ansicht, es gehe um nicht weniger als die Existenzberechtigung der Flotte.[ 20 ]
Auf einen Schlag war alles andere Schrott: Mit dem Stapellauf der
HMS Dreadnought –
englisch für «Fürchtenichts» – war 1906 ein Schlachtschiff völlig neuen Typs in die Welt getreten: Aufgrund des Antriebs mit neuen Dampfturbinen, die ihr eine Höchstgeschwindigkeit von 22 Knoten verliehen, sowie der Ausstattung mit ausschließlich schwerer Hauptartillerie einheitlichen Kalibers von zehn 30,5-Zentimeter-Geschützen waren schlagartig alle älteren Schlachtschiffe entwertet. Eine neue Runde des Flottenwettrüstens begann. 1910 besichtigte eine als angeblicher Kaiser von Abessinien mit seinem Hofstaat verkleidete und mit Schuhcreme eingeschmierte Gruppe von Künstlern, darunter Virginia Woolf mit angeklebtem Bart, den ganzen Stolz der Royal Navy und löste durch diesen «Dreadnought hoax» eine heftige Diskussion über die Sicherheitsstandards der britischen Flotte aus.
Das Gefecht der Schlachtkreuzer
Unter diesen Umständen führte der Wechsel im Flottenoberbefehl zu Beginn des Jahres 1916 zu dem Schluss, dass ein energischer Angriff nicht länger aufgeschoben werden könne. Reinhard Scheer, der den schwererkrankten v. Pohl Anfang 1916 ersetzt hatte, entwickelte zu diesem Zweck mehrere Offensivpläne. Was Scheer nicht wusste und die deutsche Marineleitung bis zum Kriegsende nicht erfuhr, war, dass die britische Admiralität seit der Versenkung des Leichten Kreuzers
Magdeburg
am 28. August 1914 vor der russischen Ostseeküste von den verbündeten Russen das deutsche Funksignal-Handbuch zugespielt bekommen hatte.[ 21 ] Sie war somit im Voraus über die Manöver der Hochseeflotte informiert; oder hätte es jedenfalls sein können, wenn das Zusammenspiel zwischen ihren Geheimdiensten, die mit der Entschlüsselung des Funkverkehrs betraut waren, und dem Führungsstab der Royal Navy reibungsloser funktioniert hätte, als dies im Einzelfall immer gegeben war. Denn mitunter wurden aufgrund gegenseitiger Abneigung die Nachrichten des «Room 40», dem die Auswertung der Funkaufklärung oblag, nicht ernst genommen und nicht an die Flottenkommandanten weitergeleitet.
So tappte der Kommandant der Grand
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