Große Tiere: Roman (German Edition)
Menschenmenge schweifen. »Das ist ja furchtbar«, sagte er, »und ausgerechnet während des großen Sommerfestes. Die Leute bekommen doch einen völlig falschen Eindruck.«
Jim Tile konnte es kaum erwarten, mehr zu diesem Thema zu hören. »Einen falschen Eindruck wovon?«
»Von Florida«, sagte Charles Chelsea. Die Indigniertheit in seiner Stimme klang echt. »Das ist nicht gerade das Image, mit dem wir werben wollen. Das verstehen Sie doch, oder?«
Grimmig machte er kehrt und verschwand in der gaffenden Menge.
Der Leichenbeschauer wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem zu, was von der Card-Sound-Brücke herunterhing. Er fragte Jim Tile: »Was meinen Sie, wie wir ihn von da runterbekommen?«
»Ganz leicht«, antwortete der Trooper. »Ich gehe rauf und schneide die Schnur durch.«
»Sie meinen, dabei kann nichts passieren?«
Jim Tile sah ihn fragend an.
»Bei all den Menschen, die hier rumlaufen«, sagte der Leichenbeschauer. »Wenn er nun jemanden trifft? Und dann diese verdammten Boote da draußen.« Er blickte finster drein und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir haben es hier mit einem ganz schönen Risiko zu tun. Jemand könnte verletzt oder gar getötet werden.«
»Von einer fallenden Leiche«, sagte Jim Tile nachdenklich.
»Aber immer. Sehen Sie doch nur diese verdammten Touristen.«
Jim Tile holte sich ein Megaphon und befahl den Booten, Anker zu lichten. Er wies außerdem die Schaulustigen an, den Damm zu verlassen, anderenfalls sie unter Arrest stünden. Dann stieg er nach oben auf die Brücke und fand schnell, was er suchte: ein Knäuel starker einfädiger Angelschnur, die um den Fuß eines Betonpfeilers gewickelt war. Ein Ende der Schnur hing an einer flachen Plastikspule, wie sie von kubanischen Anglern benutzt wurde. Das andere Ende der Schnur lief über den Brückenrand und war um den Hals des Toten geknotet.
Der Polizist holte eine Kamera aus dem Streifenwagen und schoß Fotos von dem Betonpfeiler und dem Knoten. Dann legte er sich auf den Bauch, schob den Kopf über den Brückenrand und machte mehrere Luftaufnahmen von der hängenden Leiche.
Nachdem Jim Tile die Kamera wieder verstaut hatte, winkte er zweimal dem Leichenbeschauer unten auf dem Damm zu. Dann, als der Leichenbeschauer ihm ein Zeichen gab, klappte der Trooper sein Taschenmesser auf und kappte die Angelschnur.
Er hörte von der Menge ein lautes Oooohhhh, ehe er ein Klatschen vernahm. Ein Boot der Küstenwache schob sich an den Toten heran, und die Beamten fischten ihn mit einem kurzen Enterhaken aus dem Wasser.
Sie luden die Leiche in den Transporter, als der Leichenbeschauer Jim Tile seine Theorie skizzierte. »Ich glaube nicht, daß es ein Selbstmord war«, sagte er.
»Wie bitte? Hat jemand ihn als Köder benutzt?«
»Nein, ich denke, es ist folgendermaßen passiert«, sagte der Leichenbeschauer und demonstrierte seine Version mit den Armen. »Sie wissen doch sicher, daß diese kubanischen Typen die Angelschnüre immer ziemlich schnell über dem Kopf kreisen lassen, um die Köder möglichst weit zu werfen, oder? Für mich sieht es so aus, als hätte er dabei Mist gebaut und sich die verdammte Schnur selbst um den Hals gewickelt, ähnlich wie eine Bola. So stelle ich mir das vor.« Er nahm sein Klemmbrett zur Hand und begann zu schreiben. »Wie war seine Augenfarbe? Braun, glaube ich.«
»Ich hab nicht hingesehen«, sagte Jim Tile. Er hatte mit Leichen nicht viel im Sinn.
Der Mann aus dem Büro des ärztlichen Leichenbeschauers beugte sich in den Transporter und zog an der Wolldecke, um das Gesicht des Toten sehen zu können.
»Ich hatte recht«, sagte der Leichenbeschauer und schrieb wieder. »Sie sind braun.«
Jim Tile betrachtete das todesstarre Gesicht und sagte: »Verdammt, ich kenne den Burschen.« Es war kein Fischer.
»Ein Name wäre jetzt ganz nett«, sagte der Leichenbeschauer. »Als er seine Hose verlor, war auch die Brieftasche dabei.«
Angel, sagte der Polizist, Angel Gaviria. »Aber fragen Sie mich nicht, wie man das buchstabiert.«
»Woher kennen Sie ihn?«
»Er war mal Cop.« Jim Tile zog die Decke wieder hoch, um das Gesicht des Toten zu verhüllen. »Ehe er verurteilt wurde.«
»Wegen was?«
»Wegen allem außer Mord ersten Grades.«
»Mein Gott. Und jetzt ist er hier, und schon aus dem Knast.«
»Ja«, sagte Jim Tile. »Und führt Halsschmuck vor.«
Seit seinem siebzehnten Lebensjahr war Bud Schwartz ein kleiner Einbrecher. Er war darauf weder stolz, noch schämte er sich deswegen.
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