Große Tiere: Roman (German Edition)
zu summen. Nina schob ihn mit einiger Mühe von sich und sagte: »Ich bin froh, daß du nicht jeden Tag zusammengeschlagen wirst.«
Irgend etwas war in Winders Gehirn nicht in Ordnung. Er zwinkerte drei- oder viermal, doch auch als der Dampf sich verzog, ging der Effekt nicht weg. Er sah alles doppelt! Diese Schweine hatten ihn schlimm zugerichtet. Ninas nackter Po erschien ihm als vier glänzende Porzellankugeln.
Etwas geistesabwesend sagte er: »Erzähl schon. Es ging um den Wal?«
»Ja«, sagte Nina. Sie stand vor dem Spiegel und untersuchte ihre Achselhöhlen auf Haarstoppeln. »Chelsea sagte, der Wal sei tot.«
»Hmmm«, machte Joe Winder. Orky der Mörderwal.
»Und?« fra g te er.
»Und ich weiß nicht.« Nina stieg in ihren Slip. »Er sagte, du solltest gleich rüberkommen. Es sei ein Notfall.«
»Laß uns erst ins Bett gehen.« Winder trat hinter sie. Im Spiegel sah er zwei Paar Hände, die sich auf zwei Paar Brustwarzen legten. Er sah zwei Gesichter, die aussahen wie seins – verquollen, mißhandelt, voller roter Flecken – und sich an die glatte seidige Haut zweier weiblicher Hälse schmiegten.
»Na schön, Joe«, sagte Nina und drehte sich um. »Aber um ganz ehrlich zu sein: ich bin von dir sehr enttäuscht, und ich tue es nur, weil du Schmerzen hast.« Mechanisch ergriff Nina seine Hand und führte ihn zum Bett. Sie streifte ihre Unterwäsche ab und wickelte das Handtuch von ihren Haaren. Winder grinste wie ein Idiot.
»Ich warne dich«, sagte Nina, »das ist kein Akt der Leidenschaft, es ist ein Akt des Mitleids.«
»Akzeptiert«, sagte Joe Winder. »Aber, bitte, jetzt nicht mehr reden.«
»Na schön«, sagte sie. »Ich sage kein Wort.«
Orky der Mörderwal war unter dubiosen Umständen ins Wunderland der Abenteuer gelangt. Sein richtiger Name (oder der Name, den ihm die Männer gegeben hatten, denen er vor der Küste von British Columbia ins Netz gegangen war) lautete Samson. In einem durch Drogen erzeugten Dämmerzustand in ein Seewasseraquarium in Nordkalifornien eingeliefert, maß er neun Meter achtzig und war somit ein robustes männliches Exemplar der Gattung orca. Samson war größer als die anderen zahmen Mörderwale im Becken und erwies sich als wesentlich widerspenstiger und unberechenbarer. In den ersten sechs Monaten seiner Gefangenschaft zerfleischte er zwei dressierte männliche Tümmler und biß einem beliebten Seelöwen namens Mr. Mugsy den Schwanz ab. Tiertrainer machten Überstunden und versuchten, ihrem neuen Star die einfachsten der grundlegenden Waltricks beizubringen – den Sprung durch einen Plastikreifen oder das Wegschnappen einer toten Makrele aus den Fingern eines hübschen Fotomodells -, doch nur mit geringem Erfolg. Reagierte er an einem Tag wie ein wahrer Meister, so konnte es vorkommen, daß er am nächsten auf den Boden des Beckens sank und unwillig furzte und dabei ballongroße Blasen fischiger Gase zur Oberfläche aufsteigen ließ. Das Publikum fand dies nur selten unterhaltsam. Diejenigen, die auf seiner mächtigen Rückenflosse zu reiten versuchten, wurden entweder aus dem Wasser gepeitscht oder bis zur Bewußtlosigkeit durcheinandergewirbelt.
Rein durch Zufall kam heraus, daß Samson besonders durch die Farbe Grün in Rage gebracht wurde. Dies wurde an dem Tag offenkundig, als die menschlichen Trainer auf grüne Tauchanzüge umstiegen, ohne es den anderen im Showprogramm tätigen Säugern mitzuteilen. Samson sollte die erste Show damit eröffnen, daß er eine aufblasbare, barbusige Meerjungfrau holte und sie fröhlich einem jungen Mann auf einer Leiter brachte und dafür eine Handvoll Heringe erhielt. An diesem Morgen holte Samson sich das Spielzeug, trug es in seinem Maul durch das Wasser, flippte es auf die Tribüne, schnappte sich den grüngekleideten Trainer von der Leiter, flippte auch ihn auf die Tribüne, tauchte dann auf den Beckenboden und begann, gnadenlos seine Gasblasen nach oben zu schicken. Jedesmal, wenn jemand ihn nach oben locken wollte, schoß Samson aus der Tiefe hoch, das Maul weit offen und mit den großen schwarzweißen Kiefern klappernd wie eine Lkw-Tür. Das Publikum war begeistert. Sie dachten, das gehöre zu der Nummer.
Widerstrebend gelangten die Betreiber des Seewasseraquariums in Kalifornien zu der Erkenntnis, daß dieser Wal ein ganz gefährlicher Bursche war. Sie versuchten, ihn an ein anderes Aquarium, weit weg an der Westküste in Florida, zu verhökern, doch vorher änderten sie seinen Namen in Ramu. Die Transaktion
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