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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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fand zu einer Zeit statt, als verschiedene Seewasseraquarien überall im Land Probleme mit dressierten Mörderwalen meldeten und Tierschutzgruppen Gesetze forderten, die den Fang dieser Tiere zum Zweck der Dressur verbieten sollten. Gerüchte von Samsons sonderbarem Verhalten hatten sich innerhalb der Seewasseraquarienszene verbreitet, so daß es nötig wurde, seinen Namen zu ändern, ehe man ihn zu verkaufen versuchte.
    An dem Tag, als das Geschäft stattfand, wurde Samson unter Drogen gesetzt, auf eine Leinenbahre geschnallt und in einen gecharterten Sikorsky-Hubschrauber geladen. Dort wechselten Arbeiter sich damit ab, ihn während des langen Überlandflugs, der inklusive verschiedener Zwischenlandungen zum Auftanken insgesamt siebzehn Stunden dauerte, mit Salzwasser zu benetzen. Als Samson in Sarasota eintraf, befand er sich in einer bösen und rachsüchtigen Stimmung. Während der ersten fünfzehn Minuten im neuen Becken kürzte er blutrünstig die Brustflosse eines anderen männlichen orca und zerstörte den schwimmenden Korb, durch den er eigentlich Strandbälle schießen sollte. Wochen vergingen, ohne daß das Temperament des neuen Wals sich grundlegend änderte. An einem schicksalsträchtigen Sonntag erwachte das Tier plötzlich aus seiner Depression, wanderte vor Hunderten von begeisterten Touristen auf dem Schwanz quer durch das Becken und vollführte einen atemberaubenden doppelten Salto. Als eine korpulente Frau in einem grünkarierten Sommerkleid sich mit ihrer Nikon zu weit vorbeugte, packte der Wal sie mit den Zähnen, zog sie einmal quer durch das Becken und spuckte sie dann aus wie einen Olivenkern.
    Jetzt erst merkten die neuen Eigentümer Samsons, daß sie übers Ohr gehauen worden waren; sie hatten sich einen untauglichen Wal andrehen lassen. Ramu war in Wahrheit der berüchtigte und unverbesserliche Samson. Augenblicklich kam das Tier als Wiederholungstäter in Quarantäne, während der Vergnügungspark in Sarasota Pläne entwickelte, ihn unter dem irreführend sanften Namen Orky weiterzuverkaufen.
    Francis X. Kingsbury war dafür das geeignete Opfer. Das in Kürze seine Tore öffnende Wunderland der Abenteuer suchte noch nach einer großen ozeanischen Attraktion, um mit dem »lebenden Riff« von Disney World konkurrieren zu können. Kingsbury betrachtete das Orky-Angebot als das Schnäppchen seines Lebens – ein dressierter Mörderwal für nur neunhundert Bucks plus Frachtkosten! Kingsbury griff augenblicklich zu.
    Orky war mehr als nur eine Enttäuschung, er war eine Niete. Niemand im Wunderland schaffte es, dem Wal einen Trick beizubringen, den er auch auf ein Stichwort hin ausführte; zu den tollsten gymnastischen Kunststücken fähig, reagierte das Tier nicht auf Befehle und Zeichen und zeigte sein Können nur, wenn er dazu Lust hatte. Oft brachte er seine besten Nummern mitten in der Nacht, wenn das Stadion leer war. Doch bei diesen nächtlichen Vorstellungen, wenn der Park geschlossen und niemand da war, der ihn mit einem Eimer voll toter Meeräschen belohnte, rammte Orky wütend die Wände des Walbeckens, bis das Plexiglas zerbrach und der Mörtel zerbröselte.
    Weil es unmöglich war, seine Stimmungen vorherzusagen, waren die Auftritte Orkys niemals regelmäßig eingeplant. Touristen bezahlten ihren Eintritt, nahmen ihre Plätze ein und hofften das Beste. Ab und zu zeigte der Mörderwal dann seine atemberaubenden Ballettnummern, doch weitaus häufiger schmollte er oder blies wahllos Wasserfontänen in die Luft.
    Einmal hatte Francis X. Kingsbury die Idee, die riesige Kreatur zu bestrafen, indem er ihr das Abendbrot vorenthalten ließ. Orky revanchierte sich, indem er in den Pelikanteich durchbrach und neun der schwerfälligen Vögel verschlang. Danach schrieb Kingsbury den verdammten Wal völlig ab und hörte auch auf, die Bestie dressieren zu lassen. Er wußte, daß man ihn aufs Kreuz gelegt hatte, aber er war zu stolz, das offen einzugestehen. Kingsburys Angestellte spürten instinktiv, daß Orky ein wunder Punkt des Chefs war, und vermieden es, in seiner Gegenwart über das Walaquarium zu reden.
    Bis zu diesem Tag.
    Nun, da Orky unerwarteterweise gestorben war, mußte das Thema wieder aufs Tapet. Charles Chelsea entschied sich für den schnellen, direkten Weg. Er präsentierte Francis Kingsbury die Neuigkeit, als dieser noch sein übliches Frühstückshörnchen mampfte. »Gut«, sagte Kingsbury und versprühte einen Krümelregen. »Dieses verdammte Ding habe ich sowieso

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