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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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das richtige Gespür, und er findet immer den angemessenen Ton.«
    »Ich hoffe es«, sagte Francis X. Kingsbury. »Aber bis dahin, dieser Gestank, heiliger Herrgott! Haben wir denn nichts zum Sprühen? Das ist ja grauenhaft!«
    »Sofort«, versprach Chelsea und rannte los, um Luftverbesserer zu organisieren.
    Kingsbury zeigte auf das riesige Zelt, die murmelnden Zuschauer, den Kadaver des Riesentiers. »Wer glaubt denn so was, sehen Sie sich das Ding doch mal an.«
    Es war wirklich eine seltsame Szene, soviel mußte Joe Winder zugeben. »Ich bin sicher, daß Sie für die Show einen neuen Wal finden.«
    »Diesmal aber einen mechanischen«, sagte Kingsbury und zeigte mit einem Finger auf Orkys leblose Körpermasse. »Keine echten mehr. Computergesteuert, das ist das Richtige. So würde Disney es machen, was?«
    »Entweder das oder ein Hologramm«, sagte Joe Winder mit einem Augenzwinkern. »Bedenken Sie doch mal das ganze Geld, daß Sie für das Walfutter einsparen.«
    In diesem Moment stolperte Dr. Kukor, der Veterinär, über irgend etwas und fiel in Orkys kleiderschrankgroßer Magenhöhle hin. Zwei von Onkel Elys Elfen stürmten tapfer vor und hievten den Doktor wieder auf die Füße.
    »O mein Gott«, sagte Kukor und streckte die Arme aus. Die Kobolde rannten wie gehetzt davon, wobei ihre großen Schuhe mit den hochgereckten Zehen laut über den blutbeschmierten Asphalt klatschten.
    »Was?« bellte Francis X. Kingsbury. »Was ist los?«
    »Das glaub ich nicht«, sagte der Veterinär.
    Kingsbury trat vor, um es sich selbst anzusehen, und Joe Winder folgte ihm, obwohl es ihm schnell leid tat.
    »Rufen Sie jemanden«, ächzte Dr. Kukor.
    »Sieht aus wie ein Mensch«, bemerkte Kingsbury. Er wandte sich um und sah Winder an, denn Winder klammerte sich an seinen Arm. »Wenn Sie mich ankotzen, sind Sie gefeuert«, sagte Kingsbury.
    Joe Winder gab sich Mühe, nicht ohnmächtig zu werden. Die Leiche war nicht gerade im besten Zustand, aber man konnte erkennen, wer es war. Charles Chelsea schlug beide Hände vor den Mund.
    Ein bleicher und erschütterter Dr. Kukor kletterte aus Orkys ausgeräumtem Kadaver heraus. »Luftmangel«, verkündete er dumpf. »Der Wal ist erstickt.«
    Joe Winder dachte: Erstickt an Will Koocher. Koocher in einem minzgrünen Golfhemd.
    »Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich«, sagte Kukor. Winder wich vor der Szene zurück. Mit krächzender Stimme sagte er: »Das ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe.«
    »Sie?« Kingsbury lachte rauh. »Drei verdammte Tonnen Walfleisch, das ist der wahre Alptraum.«
    »Ja«, sagte Joe Winder und schnappte nach frischer Luft.
    »Ich denke an Südkorea oder an den Sudan«, fuhr Kingsbury fort. »Mit der Aufschrift >Thunfisch<. Wer merkt schon den Unterschied? Diese armen Schweine verhungern doch.«
    »Wie bitte?« fragte Winder. »Was haben Sie gesagt?«
    »Vorausgesetzt, ich kann Eis beschaffen, und zwar pronto.«

11
    Charles Chelsea verfügte, daß Dr. Will Koocher in der Pressemitteilung nicht erwähnt werden solle. »Beschränken Sie sich auf Orky«, wies er Joe Winder an. »Dreihundert Worte höchstens.«
    »Sie verlangen von mir, daß ich lüge.«
    »Nein, ich bitte Sie, ein paar überflüssige Details wegzulassen. Der Wal ist plötzlich über Nacht eingegangen, Wissenschaftler erforschen die Ursache, blabla. Ach ja, und fügen Sie eine Zeile ein, daß Mr. Francis X. Kingsbury schockiert und betrübt ist.« Chelsea hielt inne und legte einen Finger an sein Kinn. »Streichen Sie das >schockiert<«, sagte er. »>Betrübt< reicht dicke. >Schockiert< klingt so wie, ich weiß nicht, wie -«
    »Als wäre es etwas Außergewöhnliches?« fragte Joe Winder.
    »Richtig. Genau.«
    »Charlie, Sie sind ein schrecklicher Schleimer.«
    Chelsea legte die Hände auf seine Brust, faltete sie, dann nahm er sie wieder auseinander. Dann faltete er sie erneut und sagte: »Joe, das ist eine Frage des Anstands, nicht der Zensur. Solange Dr. Koochers Frau nicht offiziell benachrichtigt wurde, ist es doch das mindeste, das wir tun können, wenn wir ihr ersparen, vom Tod ihres Mannes in den Abendnachrichten zu erfahren.«
    Für einen kurzen Moment sah Winder zwei Charles Chelseas anstelle von einem. Irgendwo in dem kakophonen Blechkasten seines Gehirns hörte er das Zischen eines Hahns, der Dampf abließ. »Charlie«, sagte er ruhig, »der Mann wurde von einem verdammten zehn Meter langen Wal gefressen. Das dürfte nicht allzulange unser kleines Geheimnis

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