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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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bleiben.«
    Chelseas Stirn legte sich in Falten. »Am Ende, nehme ich an, werden wir eine öffentliche Erklärung abgeben müssen. Da es schließlich unser Wal war.«
    Joe Winder beugte sich vor und stützte sich auf einen Ellbogen. »Charlie, ich will ganz offen sein: Sie sind ein grauenhafter Schleimer.«
    Die Stimme des PR-Mannes klang jammernd. »Haben Sie eine Ahnung, was für einen Tag ich bis jetzt hatte? Ich mußte mich mit zwei Leichen herumschlagen – erst mit dem Mann an der Brücke und nun mit dem Wühlmausdoktor. Außerdem habe ich bis zu den Knien in Walgedärm gestanden. Ich bin fertig, Joe, körperlich und emotional am Ende. Aber falls Sie sich besser fühlen, wenn Sie mich beschimpfen, dann nur zu.«
    Joe Winder sagte, er wolle den Abschiedsbrief sehen, den Koocher angeblich geschrieben hätte.
    Chelsea schloß eine Aktenschublade auf und holte einen Bogen Papier hervor, der mit Blockbuchstaben beschrieben war. »Es ist nur eine Fotokopie«, sagte er und reichte das Blatt Winder, »aber es bricht einem trotzdem das Herz.«
    Es war einer der lahmsten Abschiedsbriefe eines Selbstmörders, den Joe Winder je gesehen hatte. In Großbuchstaben stand dort zu lesen: »AN MEINE FREUNDE UND MEINE FAMILIE, MIR LEID TUT, ABER ICH KANN NICHT MEHR. NUN, DA MEINE ARBEIT VORBEI IST, IST ES AUCH MIT MIR AUS.«
    Der Name, der als Unterschrift darunter stand, war William Bennett Koocher, Ph. D.
    Winder stopfte sich die Fotokopie in die Tasche und stellte fest: »Das ist eine Fälschung.«
    »Ich weiß, was Sie denken, Joey, aber es waren nicht nur die Wühlmäuse, die ihn fertiggemacht haben. Es gab auch Probleme zu Hause, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Du liebe Güte.« Winder stieß einen Pfiff aus. »Probleme zu Hause. Das wußte ich ja gar nicht.«
    Chelsea fuhr fort: »Und ich weiß auch, was Sie sonst noch denken. Warum bringt jemand sich auf so... extreme Art um? Indem er in ein Walbecken springt und so weiter.«
    »Das erschien mir schon ein bißchen unorthodox, ja.«
    »Nun, mir auch«, sagte Chelsea und legte wieder seine steife Förmlichkeit an den Tag, »bis mir einfiel, daß Koocher überhaupt nicht schwimmen konnte. Und er hatte eine tödliche Angst vor Haien. Es ist daher nicht überraschend, daß er sich hier drinnen ertränken wollte und nicht im Meer.«
    »Und das grüne Hemd?«
    »Offenbar hatte er keine Ahnung von Orkys, äh, Problem.«
    Joe Winder blinzelte heftig in dem Bemühen, seine Sicht zu klären. Er sagte: »Die Wirbelsäule des Mannes war gebrochen wie ein Zweig.«
    »Ich habe gehört«, sagte Charles Chelsea, »daß es nicht so schlimm ist, wie es aussieht. Es geht sehr schnell und ist fast schmerzlos.« Er holte ein Taschentuch heraus und trocknete sich unauffällig die Hände ab. Weise fügte er hinzu: »In gewissem Sinn war das, was nachts in Orkys Becken geschah, ein völlig natürlicher Vorgang: Dr. Koocher wurde zu einem Glied in der Nahrungskette. Wer will behaupten, daß er es nicht genauso geplant hat?«
    Joe Winder stand auf und umklammerte die Ecken von Charles Chelseas Schreibtisch. »Es war kein Selbstmord«, sagte er, »und es war auch kein Unfall.«
    »Was dann, Joe?«
    »Ich g laube, Koocher wurde ermordet.«
    »Um Gottes willen. Im Wunderland?«
    Irgendwo hörte Winder wieder das leise Zischen eines Ventils, das tief in seinem Schädel Druck abließ. Er reichte über den Tisch und griff sich zwei Handvoll von Chelseas blauem Oxfordhemd. »Mir leid tut, aber ich kann nicht mehr? So würde vielleicht Tarzan einen Abschiedsbrief schreiben, aber nicht Dr. Koocher.«
    Chelsea befreite sich aus Winders Griff und sagte: »Es war vermutlich nur ein Tippfehler, Joe. Mein Gott, der Mann war furchtbar deprimiert und erregt. Wer liest denn schon Korrektur bei seinem eigenen Abschiedsbrief?«
    Während er seine Fingerknöchel gegen seine Stirn drückte, sagte Winder: »Ein Tippfehler? Mit einem Textmarker, Charlie? >Mir leid tut< stammt nicht von einem verzweifelten Wissenschaftler, der einen Fehler macht; das ist ein des Schreibens unkundiger Trottel, der versucht, einen Abschiedsbrief zu fälschen.«
    »Jetzt habe ich aber genug.« Chelsea ging um den Schreibtisch herum zur Tür. Er machte dabei einen Bogen um Winder, als sei der eine Klapperschlange.
    Chelsea verließ das Büro nicht, sondern er hielt für Joe Winder die Tür auf und wartete.
    »Ich verstehe«, sagte Winder. Im Rausgehen blieb er kurz stehen und glättete die Schultern von Chelseas Hemd, wo er ihn gepackt

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