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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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duckte und über verdorrte Zweige stieg. Ungefähr alle dreißig Schritte schaltete er die Lampe aus, hielt die Luft an und wartete. Schon bald konnte er nicht mehr die Autos hören, die auf der Card Sound Road vorbeifuhren. Er war so tief in den Wald eingedrungen, daß ein Ruf oder ein Schrei sofort verschluckt würde.
    Er ging etwa eine Viertelstunde, bis er auf die Überreste eines kleinen Lagerfeuers stieß. Joe Winder kniete sich hin und roch an dem halbverbrannten Holz; jemand hatte es mit Kaffee gelöscht. Er stocherte in den scharf riechenden Überresten von etwas Wildem herum, das in einer kleinen rostigen Pfanne gebraten worden war. Er schwenkte die Taschenlampe in einem Halbkreis herum und entdeckte eine schmutzige Kühlbox, ein paar Hummerfallen und einen großen Pappkarton mit den Buchstaben »EDTIAR« auf der Seite. Auf dem Erdboden, zu einem Bündel zusammengeknüllt, lag ein Regenanzug in leuchtendem Orange. Winder faltete ihn auseinander, um die Größe zu prüfen. Dann legte er ihn genauso zurück, wie er ihn gefunden hatte.
    Hinter ihm knackte ein Ast, und eine Stimme sagte: »Wie gefällt Ihnen die neue Hose?«
    Winder fuhr herum und zielte mit der Taschenlampe, als wäre sie eine Pistole.
    Der Mann aβ – und da gab es keinen Zweifel – eine auf einem Stock gebratene Schlange.
    »Cottonmouth«, sagte er und biß ein knuspriges Stück ab. »Wollen Sie was?«
    »Nein, danke.«
    »Dann haben wir nichts zu bereden.«
    Joe Winder biß höflich ein Stück Schlange ab. »Wie Hühnerfleisch«, sagte er.
    Der Mann säuberte seine Zähne mit einem Angelhaken. Er sah fast genauso aus, wie Joe Winder ihn in Erinnerung hatte, nur daß der Bart jetzt zu zahlreichen silbernen Zöpfchen geflochten war, die in allen Richtungen vom Kinn des Mannes abstanden. Er war vermutlich Anfang Fünfzig, obgleich man das eigentlich unmöglich feststellen konnte. Die unterschiedlichen Augen verzerrten irgendwie das Gleichmaß seines Gesichts und erschwerten es, seinen Ausdruck zu deuten; die buschigen Augenbrauen bildeten einen Winkel, als wären sie ständig hochgezogen. Er trug eine geblümte pinkfarbene Duschhaube, eine Sonnenbrille an einer Schnur, einen schweren roten Plastikkragen und kein Hemd. Zuerst nahm Joe Winder an, daß die Brust des Mannes mit dicken Sommersprossen übersät war, doch im zitternden Lichtstrahl der Taschenlampe begannen die Sommersprossen zu schweben und zu tanzen: Moskitos, Hunderte, die sich an seinem Blut labten.
    Mit angespannter Stimme sagte Joe Winder: »Dieses Ding um Ihren Hals ist ja nicht zu übersehen.«
    »Ein Funkkragen.« Der Mann hob sein Kinn, damit Winder ihn besser sehen konnte. »Hergestellt von Telonics. Hundertfünfzig Megahertz. Ich hab ihn einem toten Panther abgenommen.«
    »Funktioniert er?« fragte Winder.
    »Einwandfrei.« Der Mann schnaubte. »Würde ich ihn sonst tragen?«
    Joe Winder entschied, daß sie darüber später noch reden könnten. Er sagte: »Ich wollte Sie nicht belästigen. Eigentlich wollte ich mich bei Ihnen nur für das bedanken, was Sie neulich nachts getan haben.«
    Der Fremde nickte: »Kein Problem. Wie ich schon sagte, ich bin dadurch zu einer neuen Hose gekommen.« Er schlug sich auf den Oberschenkel. »Aus Leinen auch noch.«
    »Hören Sie, dieser kleine Bursche – Angel Gaviria hieß er. Sie haben ihn gefunden, wie er an der Brücke hing.« Winders Freund im Büro des ärztlichen Leichenbeschauers hatte die Identität bestätigt.
    »Was Sie nicht sagen«, sagte der Fremde zerstreut.
    »Ich hab mich auch gefragt, was mit dem anderen passiert ist«, sagte Winder.
    »Kann verstehen, daß Sie das interessiert. Übrigens, man nennt mich Skink. Wer Sie sind, weiß ich schon. Und auch Ihr Daddy, dieser verfluchte Kerl.«
    Er bedeutete Joe Winder mit einer Geste, er solle ihm folgen, und schlug einen Weg ein, der vom Lagerfeuer wegführte. »Ich hab mir in der Nacht neulich Ihre Brieftasche angesehen«, sagte Skink, »um sicherzugehen, daß Sie es wert sind, gerettet zu werden.«
    »Seit kurzem bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
    »Scheiße«, sagte Skink. »Jetzt fangen Sie nicht damit an.«
    Nach fünf Minuten verließen sie den Laubwald und gelangten auf eine Lichtung. Ein Müllabladeplatz, stellte Joe Winder fest.
    »Ja, es ist hübsch hier«, murmelte Skink. Er ging mit Winder zu der verrosteten Hülle eines stillgelegten Cadillac und nahm die Kofferraumklappe ab. Der nackte Körper von Mr. Spearmint war hineingelegt worden, säuberlich

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