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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Unkenntlichkeit abgeändert. Die Tatsache, daß er bei den Medien beliebt war, störte seine Feinde nicht; es bewirkte allenfalls eine Verfeinerung ihrer Strategie. Anstatt die Pläne des Gouverneurs anzugreifen, taten sie etwas viel Schlimmeres – sie ignorierten sie. Nur die freundlichsten, anerkennendsten Worte wurden in der Öffentlichkeit über den jungen Clint gesagt, diesen gutaussehenden Kriegshelden, und über seinen Idealismus und seinen Mut, die Dinge offen beim Namen zu nennen. Jeder Reporter, der sich einfand, konnte drei oder vier Notizblocks mit lobenden Worten füllen – so viele (und derart überschwenglich), daß jemand, der sich zum erstenmal im Staat aufhielt, hätte annehmen können, daß Clinton Tyree bereits gestorben war, was in gewisser Weise auch zutraf.
    Am Morgen des Tages, an dem das Kabinett Floridas entschied, ein an der Küste gelegenes Naturschutzgebiet und Wildreservat billigst an eine Bodenspekulationsfirma abzugeben, schlich sich die einzige Gegenstimme angewidert aus dem Regierungsgebäude und verschwand auf dem Rücksitz einer Limousine von der politischen Bühne.
    Zuerst nahmen die verschiedenen Regierungsquellen an, daß der Gouverneur Opfer eines Kidnappings oder eines anderen Verbrechens geworden war. Eine bundesweite Menschenjagd wurde abgeblasen, nachdem ein notariell beglaubigtes Rücktrittsgesuch vom FBI untersucht und für echt befunden worden war. Es stimmte tatsächlich; der verrückte Kerl hatte seine Sachen gepackt und die Platte geputzt.
    Journalisten, Buchautoren und Drehbuchschreiber schwärmten in Florida aus in der Hoffnung, die Exklusivrechte für die Lebensgeschichte des geflohenen Gouverneurs zu ergattern, aber niemand konnte ihn aufstöbern. Infolgedessen wurde nichts geschrieben und veröffentlicht, das auch nur entfernt eine Spur von Wahrheit enthielt.
    Und die lautete folgendermaßen: Clinton Tyree trug nun den Namen Skink und lebte in jenen feuchtheißen ungemütlichen Gegenden, in denen er am wenigsten befürchten mußte, von menschlichen Wesen belästigt zu werden. Seit fünfzehn Jahren befand der Gouverneur sich im Exil, das ganz bewußt abgelegen und anonym war, wenngleich auch nicht vollkommen ruhig und friedlich.
     
    Joe Winder wollte über das reden, was in Tallahassee passiert war. »Ich habe alle Berichte gelesen«, sagte er. »Ich habe mich auch in den Mikrofilmarchiven umgesehen.«
    »Dann wissen Sie alles, was es zu wissen gibt.« Skink hatte sich hingehockt und stocherte mit einem Ast in der Glut herum. Winder weigerte sich, einen Blick auf das zu werfen, was in der Pfanne briet.
    Er sagte: »Nun ist es schon so lange her, und niemand hat Sie je gefunden.«
    »Sie haben die Suche aufgegeben«, sagte Skink. Eine glühende Ascheflocke fing sich knisternd in seinem Bart. Er drückte sie mit den bloßen Fingern aus. »Normalerweise verzehre ich keine Weichschildkröten«, sagte er entschuldigend.
    »Ich auch nicht«, sagte Joe Winder.
    »Der Geschmack entschädigt einen für die Beschaffenheit des Fleisches.«
    »Aber immer.« Winder kniete auf der anderen Seite des Feuers.
    Unvermittelt sagte Skink: »Ihr alter Herr war eigentlich kein schlechter Kerl, aber er war in einem miesen Gewerbe tätig.«
    Winder hörte sich zustimmen. »Er hat nie begriffen, was daran so falsch war. Oder warum ich so gottverdammt sauer war. Er ist gestorben, ohne zu wissen, um was es eigentlich ging.«
    Skink hob die Schildkröte am Schwanz hoch und bohrte seine Gabel hinein. »Noch zehn Minuten«, sagte er, »mindestens.«
    Es war nicht einfach, sich auf diese Weise mit ihm zu unterhalten, aber Winder wollte nicht aufgeben. »Das war heute ein interessanter Tag. Innerhalb von zwei Stunden habe ich meinen Job und meine Freundin verloren.«
    »Himmel noch mal, Sie klingen ja wie Dobie Gillis.«
    »Der Job war beschissen, das gebe ich zu. Aber ich hatte gehofft, daß Nina bei der Stange bleibt. So eine wie sie findet man nur einmal im Leben.«
    »Liebe«, sagte Skink, »ist nur einen Kuß entfernt.«
    Niedergeschlagen dachte Winder: ich vergeude nur meine Zeit. Dem Mann ist alles egal. »Ich bin hergekommen, um Sie nach einem Plan zu fragen«, sagte Winder. »Ich habe mir das Gehirn zermartert.«
    »Kommen Sie, ich will Ihnen mal was zeigen.« Skink erhob sich langsam und streckte sich, und der leuchtend orangefarbene Regenanzug knisterte laut. Er zog sich die Duschhaube fester über die Ohren und marschierte mit langen, hohen Schritten durch die Bäume davon. Im

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