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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihre Stellung als Pariser Hauseigentuemer gleichsam als einen Stand betrachten, der in der grossen Kette der moralischen Spezies zwischen den Geizhaelsen und Wucherern die gerechte Mitte einnimmt. Optimisten durch Berechnung, sind sie saemtlich dem System des Status quo des Herrn von Metternich treu. Spricht man davon, eine Tuer, irgend eine Bekleidung sei zu veraendern oder auch nur die notwendigste Ausbesserung vorzunehmen, so beginnen ihre Augen sich zu trueben, ihre Galle kommt in Aufregung und sie baeumen sich, gleich erschreckten Pferden. Hat der Wind einige Ziegeln von ihren Daechern herabgeworfen, so werden sie krank und vermeiden fuer einige Zeit den Besuch des Theaters oder Bierhauses, um das wieder zu ersparen, was die Ausbesserung kostet.
    Hippolyt hatte bei Gelegenheit einiger Ausbesserungen und Verschoenerungen, die in seiner Werkstatt vorzunehmen waren, die Gratisvorstellung einer komischen Szene von seinem Hauswirte bekommen und wunderte sich daher nicht ueber die schwarzen und fetten Toene, ueber die oeligen Faerbungen, ueber die Flecken und das andere widerwaertige Zubehoer, das sich an dem Holzwerk der Wohnung zeigte. Diese Merkmale der Armut sind in den Augen eines Kuenstlers nicht ohne Poesie. Fraeulein Leseigneur oeffnete selbst die Tuer. Als sie den jungen Maler sah, begruesste sie ihn, wandte sich aber mit jener Pariser Gewandtheit und jener durch den Stolz verliebenen Geistesgegenwart um, die Glastuere eines Verschlages zu schliessen, durch die Hippolyt zum Trocknen aufgehaengte Waesche haette sehen koennen, sowie auch ein altes Gurtenbett, ein Kohlenbecken, Kohlen, Plaetteisen und all jenes Geraet, das in kleinen Wirtschaften stets zur Hand ist. Vorhaenge von Musselin, die vor den Glasscheiben der Tuer angebracht waren, verhinderten nun jeden Einblick in dieses "Kapernaum", wie man jetzt in der Sprache von Paris solche Arten von Wirtschafts und Vorratskammern nennt; diese hier wurde durch kleine Fenster erhellt, die auf einen benachbarten Hof fuehrten. Mit jenem grausamen und schnellen Beobachtungsblick, der den Kuenstlern eigen ist, erkannte Hippolyt die Bestimmung, die Moebel und den Zustand dieses ersten Raumes, der in zwei Abteilungen geschieden war. Der bessere Teil, der zu gleicher Zeit als Vorzimmer und Speisesaal diente, war mit einer alten, rosenfarbenen Papiertapete beklebt, deren Flecken und Loecher ziemlich sorgfaeltig unter Bildern versteckt waren, von deren Rahmen das Gold laengst geschwunden. In der Mitte dieses Zimmers stand ein Tisch von altertuemlicher Form und mit abgenutzten Raendern. Die Stuehle zeigten einige Spuren verschwundenen Glanzes; allein der rote Maroquin des Sitzes und die vergoldeten Naegel hatten ebensoviele Wunden, wie die alten Sergeanten des Kaiserreiches. Ueberdies befanden sich in diesem Zimmer noch manche Gegenstaende, die man nur in solchen Wirtschaften antrifft, die man mit Amphibien vergleichen koennte, indem sie halb an den Glanz und halb an das Elend grenzen. So erblickte Hippolyt zum Beispiel ein sehr schoenes Perspektiv, das ueber dem kleinen gruenlichen Spiegel hing, der den Kamin zierte. Um dieses wunderliche Mobiliar vollstaendig zu machen, stand zwischen dem Kamin und dem Verschlag noch ein schlechtes Buffet, das nach Acajou-art angestrichen war, obgleich das Acajou von allen Hoelzern dasjenige ist, dessen Nachahmung am wenigsten gelingt. Der rote und glatte Fussboden, die schlechten kleinen Teppiche, die vor den Stuehlen lagen, die Sauberkeit der Moebel, das alles zeugte jedoch von jener Aufmerksamkeit, die den Altertuemern einen falschen Glanz verleiht, und deren Gebrechlichkeit, Alter und Abgenutztheit nur noch mehr hervorhebt. Es herrschte in diesem Zimmer ein unbeschreiblicher Geruch, der notwendig von den Ausduenstungen des "Kapernaum" in Verbindung mit den Geruechen des Speisezimmers und der Treppe entstehen musste, abschon ein Fenster halb geoeffnet war. Die Luft von der Strasse bewegte die Vorhaenge von Perkal, die mit einer solchen Sorgfalt vorgesteckt waren, dass sie die Fensterbekleidung den Blicken entzogen, denn an dieser hatten alle frueheren Bewohner des Zimmers durch verschiedene Inkrustationen, gewissermassen haeusliche Freskogemaelde, Beweise ihres Daseins zurueckgelassen.
    Adelaide oeffnete rasch die Tuer des anderen Zimmers und fuehrte den Maler mit einer gewissen Freude hinein. Hippolyt hatte einst bei seiner Mutter dieselben Zeichen der Armut kennen gelernt, und als er sie jetzt mit jener eigentuemlichen Lebhaftigkeit,

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