Große und kleine Welt (German Edition)
niedergeschlagen, dass er keine Lust hatte, das Abenteuer fortzusetzen. In der Tat hatte das Lachen der Frau von Soulanges ein Echo in dem Boudoir gefunden, und der junge Geck bemerkte zwischen zwei Orangenbaeumen den Obersten und Frau von Vaudremont, die ebenfalls herzlich lachten.
"Willst Du mein Pferd haben, um dieser boshaften Person nachzusetzen?" fragte der Oberst.
Der Baron stimmte in dies Lachen ein, denn es war offenbar das Kluegste, was er tun konnte. Er erkaufte das vollkommene Schweigen der beiden Zeugen dieses Auftritts durch die Demut, mit der er die Scherze der kuenftigen Gattin des Obersten und des Obersten selbst ertrug, nachdem dieser an dem heutigen Abend sein Kampfross gegen eine junge, reiche und huebsche Frau eingetauscht hatte.
* * * * *
Die Graefin von Soulanges erreichte es mit einiger Muehe, dass ihr Wagen vorfuhr, und kehrte nun, gegen zwei Uhr morgens, nach Hause zurueck. Waehrend sie von der Chaussee d'Antin nach der Vorstadt Saint-Germain fuhr, in der sie wohnte, wurde sie von einer lebhaften Unruhe ergriffen.
Bevor sie das Hotel de Gondreville verliess, hatte sie nochmals die Salons durchsucht, ohne ihre Tante oder ihren Mann anzutreffen, deren Abfahrt ihr unbekannt geblieben war. Schreckliche Ahnungen quaelten ihr edles Herz. Sie hatte die Leiden erkannt, die ihr Mann seit dem Tage fuehlte, an dem ihn Frau von Voudremont an ihren Triumphwagen spannte, und hoffte vertrauensvoll, dass ihr die Reue bald ihren Mann wieder zufuehren wuerde. Mit einem unglaublichen Widerstreben hatte sie daher in den Plan eingewilligt, den ihre Tante, Frau von Marigny, entworfen, und befuerchtete jetzt, einen Fehler begangen zu haben.
Der Besuch des Balles hatte ihr aufrichtiges Herz betruebt. Erst war sie durch das leidende und finstere Aussehen des Grafen von Soulanges erschreckt worden, dann aber noch mehr durch die Schoenheit ihrer Nebenbuhlerin. Zuletzt hatte noch die Verderbnis der Welt ihr Herz beengt. Waehrend sie ueber den Pont-Royal fuhr, warf sie die entweihten Haare, die unter dem Diamant lagen und ihr ehedem als ein Unterpfand reiner Liebe waren dargebracht worden, weg. Sie weinte, indem sie sich der lebhaften Leiden entsann, deren Beute sie seit langer Zeit gewesen, und mehr als einmal seufzte sie, wenn sie daran dachte, dass Frauen, die den ehelichen Frieden erlangen wollen, ohne Klagen im Innersten ihres Herzens Qualen verschliessen mussten, die so grausam waren wie die ihrigen.
"Ach!" dachte sie, "wie moegen es die Frauen haben, die nicht lieben? Worin beruht die Quelle ihrer Gleichgueltigkeit? Ich moechte meiner Tante nicht glauben, dass die Vernunft hinreicht, um sie bei einer solchen Ergebenheit zu erhalten." Sie seufzte nochmals, als ihr Jaeger den eleganten Tritt niederschlug, von dem sie unter das Vordach ihres Hotels sprang. Hastig eilte sie die Treppe hinauf und trat in ihr Zimmer, zuckte aber vor Schrecken zusammen, als sie ihren Mann auf einem Stuhl neben dem Kamin sitzen sah. Er zeigte ihr ein erzuerntes Antlitz. "Seit wann besuchen Sie die Baelle ohne mich, meine Liebe?… Ohne mich davon zu benachrichtigen?…" fragte er mit erregter Stimme. "Wissen Sie, dass eine Frau nie den gebuehrenden Platz findet, wenn sie ohne ihren Mann irgendwo erscheint?… Sie wurden ausserordentlich zurueckgesetzt, indem man Sie in jenen dunklen Winkel draengte!…"
"O mein guter Leon," sagte sie in einem schmeichelnden Ton. "Ich vermochte dem Glueck nicht zu widerstehen, Dich zu sehen, ohne dass Du mich saehest. Meine Tante hat mich auf den Ball gefuehrt und ich war dort sehr gluecklich!"
Diese Worte verbannten ploetzlich aus den Blicken des Grafen die erzwungene Strenge. Es war leicht zu erraten, dass er sich selbst die lebhaftesten Vorwuerfe mache, dass er die Rueckkehr seiner Frau gefuerchtet habe und ueberzeugt sei, sie habe auf dem Balle sich von einer Untreue ueberzeugt, die er ihr hoffte verbergen zu koennen. Er folgte daher dem Gebrauch solcher Liebenden, die ihre Schuld erkennen, und versuchte den gerechten Zorn der Graefin zu vermeiden, indem er sich erzuernt gegen sie stellte. Ueberrascht blickte er nun schweigend seine Gattin an. Sie schien ihm schoener als je, in dem glaenzenden Schmuck, der in diesem Augenblick ihre Reize hob.
Was dagegen die Graefin betraf, so freute sie sich, ihren Mann laecheln zu sehen und ihn zu dieser naechtlichen Stunde in einem Zimmer zu finden, das er seit einiger Zeit weniger haeufig besucht hatte. Sie erroetete und richtete verstohlene Blicke auf
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