Große und kleine Welt (German Edition)
staerker auf das Herz der weiblichen Welt einzuwirken glauben, als durch ihren Geist. Der Provencale wollte ohne Zweifel in diesem Augenblick alle seine Verfuehrungskuenste entfalten, wenn man dies aus der Sorgfalt schliessen darf, die er auf alle seine Bewegungen verwandte. Aus Eitelkeit hatte er seine Eroberung zu der Quadrille gefuehrt, zu der sich die glaenzendsten Damen des Salons aufgestellt hatten, waehrend sie eine besondere Wichtigkeit darauf legten, schoener zu tanzen, als die Taenzerinnen aller anderen Quadrillen.
Waehrend das Orchester das Vorspiel der ersten Figur beendete, empfand der Baron eine unglaubliche Befriedigung des Stolzes, als er bemerkte, dass Frau von Soulanges die schoenste Taenzerin unter allen sei, die sich auf den Linien dieses glaenzenden Vierecks aufgestellt hatten. Ihre Toilette ueberstrahlte selbst die der Frau von Vaudremont, die sich infolge eines vielleicht absichtlich gesuchten Zufalles mit dem Obersten dem Baron und der blauen Dame gegenueber gestellt hatte. Die Blicke aller Maenner hafteten fuer einen Augenblick auf Frau von Soulanges, und ein schmeichelhaftes Gemurmel deutete darauf, dass alle Taenzer mit ihren Damen gegenwaertig von ihr sprachen. Blicke des Neides und der Bewunderung wurden mit einer solchen Lebhaftigkeit gegen die junge Dame abgeschossen, dass diese gleichsam beschaemt wurde durch einen Triumph, dem sie sich gern entzogen haette, bescheiden ihre Augen senkte, erroetete und dadurch noch reizender wurde. Wenn sie ihre weissen Augenlieder aufschlug, so geschah es nur, um ihren Taenzer anzublicken, als haette sie den Ruhm dieser Huldigungen auf ihn zurueckzufuehren und ihm sagen wollen, dass sie die seinigen allen anderen vorzoege. Sie legte Unschuld in ihre Koketterie oder schien sich vielmehr einem neuen Gefuehl, einer kindlichen Bewunderung mit jener Aufrichtigkeit zu ueberlassen, die man nur in jugendlichen Herzen antrifft. Wenn sie tanzte, so konnten die Zuschauer leicht glauben, dass die Verschlingungen der launenhaften Pas, die sie auf eine reizende Weise ausfuehrte, nur fuer Martial vollbracht waeren, denn die luftige Sylphide wusste gleich der verstaendigen Kokette ihre Augen zu rechter Zeit gegen ihn zu erheben oder auch mit verstellter Bescheidenheit wieder zu senken.
Als eine Bewegung des Tanzes Martial dem Obersten entgegenfuehrte, sagte er lachend zu ihm: "Ich habe Dein Pferd gewinnen…."
"Ja, aber Du hast achtzigtausend Livres Rente verloren," entgegnete ihm der Oberst und zeigte auf die strengen Blicke der Frau von Vaudremont.
"Was kuemmert mich das," antwortete Martial mit leichtem Trotz. "Frau von Soulanges ist Millionen wert!"
Nach Schluss des Contretanzes wurde mehr als eine Bemerkung von den Zuschauern und Mittaenzern den Nachbarn und Bekannten ins Ohr gefluestert. Die weniger huebschen Damen sprachen mit ihren Taenzern ueber die Moral und spielten dabei auf die keimende Zuneigung des Barons und der Graefin von Soulanges an. Selbst die Schoensten wunderten sich ueber den Leichtsinn, mit dem dies Buendnis abgeschlossen war. Die Maenner begriffen umsoweniger das Glueck des kleinen Requetenmeisters, da er gar nichts Verfuehrerisches an sich zu haben schien. Einige nachsichtigere Damen sagten, dass man nicht so voreilig urteilen duerfe, und die Jugend sei sehr zu beklagen, wenn ein ausdrucksvoller Blick und ein anmutiger Tanz hinreichten, um so ernste Anklagen darauf zu stuetzen.
Nur Martial kannte den Umfang seines Glueckes. In der letzten Figur hatten die Damen der Quadrille die Windmuehle zu bilden. Seine Finger drueckten die der Graefin, und er glaubte durch die feinen parfuemierten Handschuhe hindurch zu fuehlen, dass die Finger des jungen Weibes seinem verliebten Druck antworteten.
"Meine Dame," sagte er in dem Augenblicke zu ihr, als der Contretanz endete, "kehren Sie nicht in jene abscheuliche Ecke zurueck, in der Sie bis jetzt Ihre Schoenheit und Ihren Schmuck verborgen haben. Die Bewunderung ist der einzige Zoll den Sie durch Ihre Diamanten erreichen koennen, die Ihren weissen Hals und Ihre so schoen geflochtenen Haare schmuecken. Machen Sie mit mir eine kleine Runde durch die Salons und geniessen Sie einen Anblick des ganzen Festes."
Frau von Soulanges folgte dem geschickten Verfuehrer, der dachte, dass sie ihm umso sicherer angehoeren wuerde, wenn es ihm gelaenge, sie vor der Welt blosszustellen. Sie machten nun eine angenehme Wanderung zwischen den Gruppen hindurch, die die prachtvollen Salons des Hotels erfuellten. Die
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