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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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allein vorausreiten, denn er wollte niemand beim Überlegen stören. Einige Male wandte er sich um und
     schaute nach Tschagan-Burgussun zurück. Aber die Berge wurden kleiner, der Taleinschnitt verschwamm, und Ohnezehen blickte
     nur noch geradeaus. Er wartete auf den Sattel, den er kannte. Als vier Stunden vergangen waren, wurde Ohnezehen unruhig. Der
     glatte Boden war rau geworden, es gab viele und große Steine, und Christian war glücklich darüber. Es ging auch abwärts, und
     rechts, wo die Sonne jetzt stand, begann ein schwacher Hügelrücken. Man sah es an dem feinen Schatten.
    »Halt einmal!«, rief Ohnezehen. »Wir sind da, wo wir nicht hingehören.«
    Christian entgegnete nichts.
    Er blickte auf den Kompass, und dann schaute er zurück. Die Spur der Pferde war wie vom Lineal gezogen, und ganz weitweg war ein dunkler Punkt. Armer Hund, dachte Christian, und er war froh, dass Ohnezehen »Halt!«, gerufen hatte.
    »Wo gehören wir hin?«, erkundigte sich Großer-Tiger, »bitte sagt Eure Meinung.«
    »Irgendwo anders«, antwortete Ohnezehen, »wo es einen Sattel gibt, den man von weither sehen kann.«
    »Vielleicht kommt er noch«, tröstete Großer-Tiger.
    »Er kommt nicht«, widersprach Ohnezehen. »Für meinen Umweg brauchte ich jedes Mal sieben Stunden bis zum Verdeckten-Brunnen.
     Die Mongolen sagen, sie brauchen bloß vier. Vier Stunden sind herum.«
    »Wir kommen von einer andern Seite«, gab Christian zu bedenken, »da kann man den Sattel nicht sehen, den Ihr sucht.«
    »Man müsste ihn sehen«, beharrte Ohnezehen, »ein anderes Merkmal gibt es nicht.«
    »Hund!«, rief Großer-Tiger, »armer Hund, bist du müde?«
    Der Pudel kam langsam herbeigetrottet. Die rote Zunge hing ihm aus dem schwarzen Maul, und der Atem jagte in kurzen Stößen.
     Ohnezehen schüttelte bedauernd den Kopf. »Hunde«, sagte er, »sind gut für Kamelkarawanen, aber für Ritte mit den Pferden taugen
     sie nicht.«
    »Er wird sich erholen«, sagte Christian, »wenn wir zwei Augenblicke warten.«
    »Meinetwegen«, knurrte Ohnezehen verdrießlich und blickte auf den Pudel, der den Kopf hob und unschlüssig stehenblieb.
    »Leg dich«, sagte Christian.
    »Ruh dich aus«, sagte Großer-Tiger.
    Aber der Pudel kehrte sich nicht an die gutgemeinten Ratschläge. Er wedelte kurz, dann lief er weiter. Er ließ die Zunge heraushängen,
     er schnaufte, er war kein gewöhnlicher Hund.
    »Jabonah!«, rief Christian fröhlich, »gleich sind wir da, der Hund riecht Wasser.«
    Ohnezehen schüttelte wieder den Kopf, diesmal aber heftig, und sein angegrauter Zopf flog.
    »Was du sagst, ist nicht möglich«, rief er, »der Verdeckte-Brunnen ist mit Bohlen zugedeckt, und viel Sand liegt darüber.
     Es ist ein geheimer Brunnen, und nur die Herren der Berge kennenihn. Sie haben ihn auch gegraben.« – »Trotzdem«, bat Christian, »sollten wir reiten.«
    »Gut«, sagte Ohnezehen gleichgültig, »auf einen Fehler mehr kommt es nicht an.«
    Der Pudel lief schon ein gutes Stück voraus, es ging immer mehr abwärts, und der Hügelrücken rechts wurde höher. An seinem
     Fuß lag tiefer Sand. Schließlich mussten die Pferde im Schritt gehen, aber der Pudel lief schneller und schneller. Er verschwand,
     als der Höhenzug nach Westen bog, und plötzlich hört man Gebell.
    »Verblendete Begeisterung«, murmelte Ohnezehen.
    »Nein!«, rief Christian, aber dann griff er erschrocken nach den Zügeln und riss sein Pferd zurück. Hinter der Biegung standen
     zwei blaue Wanderzelte, und vor ihnen stand der Pudel und bellte. Pferde waren da, Männer gingen ab und zu, und einer blieb
     stehen und blickte verwundert auf den schwarzen Hund, der, halb auf Abwehr und halb auf Flucht bedacht, ihn mit Bellen einschüchtern
     wollte. Aus dem größeren der beiden Zelte, das mit weißen aufgenähten Glückszeichen geschmückt war, trat ein Mann im Fellmantel
     mit blauer Schärpe. »Hund, komm her!«, rief er laut.
    »Dieser Herr   …«, sagte Großer-Tiger und beugte sich über den Sattel.
    »Ist Mondschein«, sagte Christian erleichtert.

Vierundvierzigstes Kapitel, von dem Ring, der seinen Herrn fand
    »Wir haben euch von da oben erwartet«, sagte Mondschein, als die Begrüßung vorüber war. Er zeigte auf einen Sattel in dem
     Hügelzug, und es war die einzige Unterbrechung in dem glatten Verlauf der Welle, die hier ihre höchste Erhebung hatte und
     sich ebenso langsam, wie sie angestiegen war, nach Süden senkte.
    »Wir kommen von woanders«, setzte ihm

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