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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Pistolentasche, streckte sich und gähnte laut. Plötzlich wandte sich Dampignak mit einer
     heftigen Bewegung an Christian, der neben ihm saß. Ein Geruch von Lagerfeuern und Pferden strömte aus dem Mönchsgewand.
    »Hast du mir was mitgebracht?«, fragte er.
    Gehorsam langte Christian in die Tasche und brachte das rote Bändchen heraus, das er mit beiden Händen Dampignak bot. Es fiel
     ihm ein, was Glück gesagt hatte, und Glück behielt recht. Dampignaks gezwungene Ruhe löste sich, die Stirn wurde frei, die
     zurückliegenden Augen flammten auf, und eine große Freude glitt über den zuckenden Mund. Der Uralte-Herr lächelte glücklich
     wie ein Kind. Rasch nahm er Christian das Band aus den Händen und zeigte es dem schuldbewusst grinsenden Mondschein. »Habe
     ich Euch zu viel gesagt«, rief Mondschein, »es sind Kerle, wie man sie zwischen den vier Meeren vergeblich sucht.«
    »Nicht wir«, sagte Christian, »der Hund hat es gefunden.«
    »Der Hund?«, fragte Dampignak, »meinst du den schwarzen Teufel?«
    »Eben den meine ich«, sagte Christian, »er ist kein gewöhnlicher Hund.«
    »Ich habe es bemerkt«, entgegnete Dampignak, »aber ich habe dich nicht nach dem roten Band gefragt. Ich fragte dich nach etwas
     anderem.«
    »Das habe ich auch«, sagte Christian, und diesmal langte er in die Hosentasche. Da war das runde Silberstück mit der Schlange,
     das einer Münze glich und das in die hohle Rundung eines Bambusstocks gehörte, damit ein neuer Daschior daraus würde. Dampignak
     nahm die Schlangenmünze, wie man einen Kupferkäsch nimmt und einsteckt. Er blickte auch wieder ins Feuer, und die Freude auf
     seinem Gesicht war erloschen.
    Er sagte: »Ihr habt in der Schwarzen-Stadt zehn Silberbarren ausgegraben. Warum ließt ihr das Große-Heil unberührt? Es lag
     nahe.«
    Dampignak schwieg und es wurde sehr still. Man hörte den Pudel schnaufen. Dabei hatte Dampignak ganz gewöhnlich gesprochen,
     wie man über das schöne Wetter spricht oder ob es beim Mondwechsel anders wird. Christian wurde verlegen, und Großer-Tiger
     kam sich vor wie einer, der was angestellt hat.
    Keiner begriff, wie Dampignak zu dem Geheimnis der Schwarzen Stadt kam, und Großer-Tiger schob langsam die linke Hand über
     die rechte, damit der Ring verdeckt wurde.
    Es ist nicht die richtige Zeit, dachte er, wenn Dampignak ihn jetzt sieht. Laut sagte Großer-Tiger: »Der Weg zum Großen-Heil
     ging verloren.«
    »Wie das?«, fragte Dampignak ungeduldig.
    »Das kam«, setzte ihm Christian auseinander, »von der Besonnenheit Naidangs, den man den Bilderbogen nennt. Der Schatz von
     Edsina gehörte ihm, aber er wollte Unheil verhüten, da hat er die Beschreibung des Weges verbrannt.«
    »Nichts blieb übrig davon«, bestätigte Großer-Tiger, »ich habe aufgepasst.«
    »Und ihr habt geschwiegen?«, rief Dampignak, »darf man zusehenund schweigen, wenn ein unermesslicher Schatz verbrannt wird?«
    »Reden stand uns nicht zu«, sagte Großer-Tiger einfach.
    »Berichtet!«, befahl Dampignak, als ob er zu seinen Räubern spräche. Er legte den Kopf zurück, er schloss die Augen, er presste
     die Lippen aufeinander, und der Daumen hörte auf, die Kugeln der Gebetskette über den Zeigefinger zu rollen. Großer-Tiger
     und Christian stießen sich gegenseitig mit dem Ellbogen, damit der andere rede.
    »Jeder soll sagen, was er weiß«, bestimmte Dampignak, ohne die Lider zu heben.
    Da begann Christian zu erzählen von Naidang und von Nicht-gibt-es-nicht, wie sie die Bambusplättchen fanden und wie Nicht-gibt-es-nicht
     weite Reisen machte und gelehrte Lamas fragte, was auf den Stäbchen stünde.
    »›Wir wissen es nicht‹, sagten die Lamas, ›es sind Schriftzeichen der alten Zeit, die wir nicht verstehen.‹ Da bedankte sich
     Nicht-gibt-es-nicht für ihre Mühe, und zu Naidang sagte er später: ›Diese Lamas waren alberne Nichtswisser; ihre Lehrer haben
     vergessen, ihnen mit dem Stiefelabsatz ins Gesicht zu treten.‹« »Genug«, rief Dampignak, und er presste die Lippen fester
     zusammen als vorher. Dann wollte er was sagen, aber es ging nicht mehr, denn Mondschein lachte laut und schallend los. Er
     grölte vor Vergnügen.
    »Pfötchen«, mahnte Dampignak, »dummes altes Pfötchen.« Aber ernst konnte selbst Dampignak nicht mehr bleiben. Damit war es
     vorbei. Er öffnete die Augen, er lächelte sogar, und er sagte: »Es ist genug. Nun kenne ich deine Geschichte, denn die gelehrten
     Lamas waren Donnerkeil und ich, und Mondschein saß

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