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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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eine Frage«, flüsterte Großer-Tiger.
    »Keine Erwähnung deshalb«, kam ihm Mondschein zuvor, »ich habe längst einen anderen Mantel.«
    »Vergebt mir«, rief Großer-Tiger, »weil mein Dank sich unabsichtlich verspätet. Ich kannte den großherzigen Spender des Mantels
     nicht. Der befehlende Herr Mondschein hat sich meinetwegen dem Tode des Erfrierens ausgesetzt.«
    »Du siehst, dass ich lebe«, erwiderte Mondschein lachend. »Kommt jetzt.«
    Aber Großer-Tiger blieb stehen und sagte: »Es gibt eine zweite Frage: Weiß der Uralte-Herr von dem Ring, den ich am Daumen
     trage?«
    »Davon weiß er nichts«, entgegnete Mondschein leise, »mag er den Ring als sein Eigentum erkennen oder nicht, das steht bei
     ihm. Jetzt gehen wir.«
    Zehn Schritte waren es bis zu dem großen schönen Zelt, und selbst das dreieckige Eingangstuch war mit einem weißen Schmetterling
     geziert. Am Brunnen stampften die Pferde, der Himmel war ganz blau, und weit hinaus sah man in die weite Wüste. Nur im Westen
     stand der Hügelzug, der wie eine glatte Mauer war mit einer einzigen Scharte darin. Aber auch die war mit blauem Himmel gefüllt,
     und es gab nichts, wovor man sich hätte fürchten müssen. Trotzdem fiel Christian und Großer-Tiger das Gehen schwer. Der lange
     Ritt ist schuld, dachte Christian,aber er spürte, dass außer den Beinen auch das Herz schwer war. Der Pudel kam gerannt, bellte und lief ihnen vor den Beinen
     herum.
    »Du musst draußen bleiben«, sagte Christian streng.
    »Du musst die Pistole ablegen«, flüsterte Mondschein, und Christian tat es gehorsam. Da legte sich der Pudel neben die Pistole,
     und Mondschein schlug das Dreieckstuch mit dem Schmetterling beiseite, schob Christian und Großer-Tiger vor sich her und trat
     ein. Hinter sich schloss er das Zelt.
    Es herrschte Halbdunkel darin, ein Feuerchen brannte, und vor der rückwärtigen Zeltstange saß der Mann, von dem Turakina gesagt
     hatte, er sehe aus wie ein dürrer Baum mit brauner Rinde. Den wehenden Bart hatte er auch, aber er hing über die Mundwinkel
     und rührte sich so wenig wie der Rossschweif vor dem Zelt. Die schwarzen Augen hefteten sich auf Christian und Großer-Tiger.
    »Wir verneigen uns«, sagten sie, und sie beugten das Knie zum Fußfall der Verehrung. Dampignak neigte sich ihnen entgegen
     und hob die Hände bis zur Stirn.
    »Habt ihr eine gute Reise gehabt?«
    »Wir reisten in Frieden. Sitzt der Fürst leicht und gut?«
    »Nehmt Platz«, sagte Dampignak.
    »Hier«, rief er befehlend, als er sah, dass Großer-Tiger und Christian sich auf die rechte Seite und, wenn es gegangen wäre,
     sehr weit weg und am liebsten gleich neben den Ausgang gesetzt hätten.
    »Wir wagen es nicht«, sagte Großer-Tiger.
    »Wir sind unwürdig«, sagte Christian.
    Sie sträubten sich, so gut es ging, doch Mondschein zwang sie mit sanfter Gewalt auf zwei gewöhnliche Filzdecken, die mehrmals
     zusammengelegt waren, und so eine Art Sitzkissen vorstellten. Da saßen sie nun zur Linken des gefürchteten Kriegers Dampignak,
     den man den Uralten-Herrn nannte, der ein Fürst war und von dem man sagte, er sei ein gewaltiger Räuber. Er trug das rote
     Gewand eines Lamas, die nackten Arme lagen unter den Falten des Überwurfs, die Hände ruhten auf den gekreuzten Beinen, und
     nichts an ihm war in Bewegung als derlinke Daumen, der eine Kugel der Gebetskette nach der andern über den quergestellten Zeigefinger rollte. Sein Haupt war unbedeckt.
     Nach Art tibetischer Würdenträger war die vordere Kopfhälfte kahl geschoren. Kurz vor dem Wirbel begannen lange Haare. Sie
     waren schwarz wie der Bart, aber sie waren straff in einen Zopf geflochten, der dick begann und sehr schnell dünn wurde. Das
     Ende glich einer Peitschenschnur.
    Dampignak blickte ins Feuer, mitten in das runde Gestell mit den kleinen Flammen, auf dem kein Kessel stand. Außer dem Gestell
     mit dem Feuer darin gab es nichts im Zelt als ausgebreitete Filzdecken und einen nachlässig hingeworfenen Mantel.
    »Setz dich«, sagte Dampignak.
    Jetzt erst merkten Christian und Großer-Tiger, dass Mondschein immer noch am Zelteingang stand. Er setzte sich rechts neben
     Dampignak, schaute auch ins Feuer und schwieg.
    Eine Weile ging das so, aber als keiner was sagte, holte Mondschein die Pfeife aus dem Stiefelschaft, stopfte sie und beugte
     sich dem Feuer entgegen. Das lange Rohr reichte ohne große Mühe bis in die Glut. Mondschein paffte, und Dampignak schwieg.
    Vor dem Zelt lag der Pudel neben der

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