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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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und sie jagten hinter Dampignak her, bis die
     Kamele und die drei Männer außer Sicht waren.
    Der frühe Morgen wich einem strahlenden Tag. Auf den schwarzen Felsen glänzte das Sonnenlicht, ein bisschen Wärme gab es auch
     schon, und Dampignak ritt langsam. Die Pferde fielen von selbst in Schritt, und als die Karawanenstraße wieder erreicht war,
     trottete der Hengst dahin, als ob es keine andere Gangart gäbe.
    Mondschein war verstimmt. Hin und wieder schaute er nach der Sonne, dann blickte er auf die Spuren von Mas Karawane, und jedes
     Mal begleitete er seine Beobachtungen mit dem unfreundlichen Wort »Herzensbrüderchen« oder mit der Versicherung »Ich werde
     ihm ins Gesicht treten«. Das Wort »Herzensbrüderchen« hatte Mondschein bei einigen Russen in Uljassutai aufgeschnappt, und
     er meinte Tangat damit, der sich noch immer nicht blicken ließ.
    Als der nördliche Höhenzug zurücktrat und einer weiten Ebene Raum bot, ritt Mondschein an die Seite des Uralten-Herrn und
     wechselte mit ihm ein paar Worte. Nach den paar Worten sagte Mondschein laut: »Es gibt keine Hilfe, ich werde ihm auch die
     Knochen brechen müssen.« Und damit war wieder Tangat gemeint.
    Gleich nachher ritten sie ein Stück vom Wege seitab und stiegen aus dem Sattel. Hinter einem der letzten Hügel hobbelteMondschein den Pferden die Fesseln der Vorderbeine zusammen, und damit sie nicht von der Stelle konnten, machte er die Zügel
     lang und verknotete sie in eins. Dann gingen alle vier auf den Hügel, und Mondschein setzte sich so, dass er über den Kamm
     blicken konnte und eine freie Übersicht hatte. Der Uralte-Herr ging abseits, und Christian und Großer-Tiger legten sich auf
     den Rücken und schauten in den blauen Himmel. Sie warteten, ob nicht ein weißes Wölkchen vorüberflöge oder ein Adler, aber
     es kam nichts geflogen. Der blaue Himmel blieb blau, und Christian und Großer-Tiger schliefen ein. Eine Stunde verging, und
     die Sonne stieg in den Mittag, als Mondschein einen fernen Reiter ausmachte, der im Galopp über die Ebene jagte. Der Reiter
     kam näher, und Mondschein sah, dass es Tangat war. Unbemerkt wollte er über den Hügel und zur Karawanenstraße hinunterschleichen,
     aber der Uralte-Herr hielt ihn zurück.
    »Keinen Unfug, Pfötchen«, sagte Dampignak, »führe ihn zu mir. Erst muss man ihn anhören.«
    »Wie Ihr wünscht«, knurrte Mondschein, aber man merkte, dass ihm das Gehorchen sauer ankam.
    Christian und Großer-Tiger waren aufgewacht. Sie blickten vom Hügel zur Karawanenstraße, wo Mondschein stand und dem Reiter
     winkte. Es war Tangat, und er wollte absteigen, aber Mondschein bedeutete ihm, dahin zu reiten, wo die andern Pferde standen.
     Tangat tat es, sprang ab und ließ sein erschöpftes Pferd einfach stehen. Mondschein hatte sich derweil neben Dampignak gesetzt,
     und Tangat kam den Hügel herauf.
    Tangat war jung, von heiterer Gemütsart, und er liebte das unstete Leben in der Gesellschaft der Herren der Berge. Er war
     ein armer Torgot-Mongole aus dem armen Uschak-Tal, und das Uschak-Tal war weit weg. Es lag, weiß Gott, wo.
    Als Tangat das finstere Gesicht Mondscheins sah, war er nah daran zu lachen, so ahnungslos war Tangat. Jedenfalls maß er sich
     keine Schuld wegen des Zuspätkommens bei. Nachher fiel sein Blick auf Christian und Großer-Tiger, die er schon bemerkt, aber
     nicht für Fremde gehalten hatte, weil sie mongolisches Gewand und mongolische Hüte trugen und weil sie Reiterstiefelan den Beinen hatten mit braun und grün verzierten Schäften und mit weißen Randleisten an den Sohlen. Wie vom Donner gerührt,
     blieb Tangat stehen, und nacheinander starrte er Christian und Großer-Tiger ins Gesicht. Dann griff er sich an den Kopf, um
     sicher zu sein, dass er nicht träume.
    »Hast wohl noch nie einen Fremden gesehen, Herzensbrüderchen?«, fragte Mondschein freundlich. »Taugenichts!«, schrie er, »wo
     bleibt dein Bericht?«
    Tangat schrak zusammen, so sehr wurde er aus seinen Betrachtungen gerissen. Er beugte das Knie vor dem Uralten-Herrn, stand
     wieder auf und sprach: »Ich bitte um Vergebung wegen Zuspätkommens, aber es ging nicht anders. Ich tat, wie der befehlende
     Herr Mondschein geboten hatte: Ich begleitete mit Bank zusammen die Karawane des Herrn Ma bis zum Steilhang-Brunnen. Kurz
     vor Mitternacht kamen wir an und schlugen Lager. Als alle schliefen, wollte ich fortreiten, um zu berichten, dass die Reise
     ohne Zwischenfall verlaufen sei. Ich war schon bei den

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