Großer-Tiger und Christian
angebunden, die Männer tranken Tee, und dieFeuer erloschen eins nach dem andern. Als Mondschein eine Stunde später kam, herrschte Ruhe, und die Burg lag im ungewissen
Licht der Sterne.
»Was hast du erfahren?«, fragte Dampignak.
»Hauptmann Kao-Scheng entbietet Euch Gruß und Verehrung. Er bittet Euch, mein Fürst, ihn schnellstens zu beehren. Er wartet,
der arme Kerl«, sagte Mondschein lachend, »er ist schon ganz zappelig.«
»Wisst ihr auch, warum er zappelt«, fragte Mondschein und wandte sich an Christian und Großer-Tiger.
»Dieses«, sagte Christian, »ist schwer zu wissen.«
»Wir kriegen es nicht heraus«, sagte Großer-Tiger, »bitte, leiht uns Euer Licht.«
»Ihr wisst doch sonst alles«, sagte Mondschein, »und diese Sache ist einfach. Der gute Kao-Scheng hofft auf Beförderung, wenn
er dem alten Gebieter melden kann, dass er euch zwei Goldfasanen gefunden hat.«
»Wenn es an dem ist«, sagte Dampignak, »wollen wir uns eilen.« Er stand auf. »Es ist ohnehin besser«, sagte er zu Mondschein,
»wer früh aufsteht, fängt den Tiger.«
Hintereinander, denn so wollte es der vorsichtige Mondschein haben, gingen sie über die Kiesfläche. Die dunkle Schlucht blieb
links, und erst nach einer Viertelstunde hielt Dampignak auf sie zu. Es wehte kalt herauf, aber die Dunkelheit war nicht mehr
undurchdringlich. Man sah Felsen und Steine, und schließlich gab es eine Schutthalde, über die sie behutsam zu Tal stiegen.
Dennoch lockerten sich Steine unter den Tritten und hüpften voraus. Dreimal, viermal hörte man sie aufschlagen, und einige
knallten vorzeitig gegen einen Felsbrocken unterwegs und blieben liegen.
Oh, wie freute sich Kao-Scheng, als er das hörte. Eilends kam er gelaufen, und auf halbem Weg schon beugte er das Knie zur
Begrüßung. Er trug eine schwarze Uniform mit goldenen Knöpfen, und er sagte: »Nur noch zehn Schritte«, und dann: »Nur noch
fünf«, und »Jetzt sind wir da.« Man sah aber weiter nichts als einige ausgebreitete Filzdecken, auf denen die Männer Kao-Schengs
in Schafspelzen hockten oder am Boden lagen. Uniformenhatten sie keine. Die Pferde standen ein Stück weiter oben im Tal, wo es breiter war und wo es einige Büschel Derresgras gab.
Eine Wache war bei ihnen.
Nach der Begrüßung sagte Kao-Scheng: »Ich habe meinen Leuten untersagt, ein Feuer zu machen, denn Eure Anwesenheit, mein Fürst,
ließ mich auf etwas Besonderes schließen.«
»Eure Umsicht ist lobenswert«, antwortete Dampignak höflich, »sie wird unvergessen bleiben, und Eure Männer sollen nach Verdienst
belohnt werden. Wie lange seid Ihr noch hier?«
»Noch eine volle Woche«, sagte Kao-Scheng.
»Am sechsten Abend wird Euch mein Bote eine geringe Entschädigung für Eure Mühe bringen.«
»Viel zu viel Güte, edler Wohltäter«, rief Kao-Scheng, und seine Männer stimmten ihm bei, als sie erfuhren, um was es sich
handle. Sie wurden munterer und zugänglicher als vorher, und sie räumten die besten Plätze und holten ein paar Satteldecken
als Sitzkissen für die Gäste.
»Sieh die Fürstensöhne Kompass-Berg und Großer-Tiger«, begann Mondschein, »ihre Ankunft wird die Gunst des alten Gebieters
auf dich lenken.«
Darauf hatte Kao-Scheng gewartet. »Kann ich«, fragte er, »den Boten mit dem Blitzbrief nach Hsing-Hsing-Hsia senden? Er wartet
schon.«
»Gedulde dich zwei Augenblicke«, bat Mondschein, »morgen ist auch noch Zeit.«
Kao-Scheng fiel die Kinnlade herunter. »Gewiss«, pflichtete er bei, »wie der verehrte Herr Mondschein wünscht.«
»Die Goldfasanen«, fuhr Mondschein fort, »sind nämlich in Geschäften hier.«
»Dachte ich mir’s doch«, sagte Kao-Scheng eifrig, »so eine weite Reise macht man nicht bloß, um sagen zu können: ›Ich bin
hier und dort gewesen‹. Was wünschen die jungen Herrn?«
»Wir möchten den Kaufmann Grünmantel aufsuchen«, sagte Christian, »wir hörten, er sei in Hsing-Hsing-Hsia eingetroffen.«
»Welch ein Jammer«, rief Kao-Scheng, »vor vier Tagen ist Grünmantel nach Hami weitergefahren mit einem prachtvollen Wagen,
der von selber geht. Seine Geschäfte machen sich.«
»Nach Hami?«, fragte Mondschein betroffen.
»Gewiss, nach Hami. Hu hat ihn gesehen.«
»Hu soll sprechen!«, befahl Mondschein.
Der Angerufene merkte, dass von ihm die Rede war, aber er räusperte sich bloß und machte ein unglückliches Gesicht.
»Hu möchte gern sprechen«, entschuldigte Kao-Scheng, »aber er kann es nicht. Er
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