Großer-Tiger und Christian
wie er zwischen Hsing-Hsing-Hsia und dem Ort, den man Fallende-Wand nennt, in einer Kiesbank steckenblieb.«
»Ich hoffe, du hast ihm geholfen.«
»Ich half ihm, weil man hilfreich sein soll. Er hieß mich schaufeln, und ich schaufelte, er hieß mich Bretter tragen, und
ich schleppte sie. Da konnte er weiterfahren.«
»Gewiss hat er dich fürstlich belohnt, der alte Wohltäter.«
»Ich bat um keinen Lohn.«
»Da half er dir, wie du ihm halfst. Oh, ich kenne ihn.«
Wieder zögerte Dämbit mit einer Antwort. Endlich sagte er: »Indem der Herr Grünmantel dein Freund ist, braucht darüber nicht
gesprochen werden.«
»Ich sehe schon«, rief Mondschein, »Freund Grünmantel hat in der Eile vergessen, sich zu bedanken.«
»Das ist es nicht«, sagte Dämbit.
»Was ist es denn? Hat er dich in seiner Güte beschämt?«
Dämbit schüttelte den Kopf. »Da du es wissen willst«, sagte er, »sollst du es erfahren. Dieser Herr Grünmantel rief mir nach:
›Was stehst du da, Lausekerl. Ich habe keine Reichtümer zu verschenken. Bedanke dich bei Mondschein, der mich ausgeraubt hat.
Bist wohl auch ein alter Hung-Hu-Tse?‹«
»Nun, nun«, sagte Mondschein begütigend, »Freund Grünmantel ist ein wenig hart. Er ist ein Dungane und vom Mongol-Joss weiß
er nichts. Vielleicht«, entschuldigte er, »ist ihm das Fahren mit einem Wagen, der von selber geht, in den Kopf gestiegen.
Manche Leute ertragen das nicht gut.«
»Genug«, rief Dampignak, »dein Grünmantel scheint großen Rühmens unwert zu sein. Wir wollen Tee trinken.«
»Die kleinen Jungen«, sagte Christian bescheiden, »möchten sich erdreisten, auch etwas zu fragen.«
»Ihr sollt fragen«, bestimmte Dampignak.
Christian wandte sich an Dämbit. »Ihr müsst wissen«, sagte er, »dass mein Freund Großer-Tiger und ich diesen Herrn Grünmantel
gesehen haben, als er am Edsin-Gol an uns vorüberfuhr. Da hatte er weiter nichts geladen als eiserne Fässer und Kannen. Darf
ich fragen, was jetzt auf dem Wagen war?«
»Der Wagen war voll leerer Kannen«, antwortete Dämbit, »bis auf ein großes eisernes Fass. Es stand vorn in einer Ecke.«
»War sein Begleiter ein Soldat?«, fragte Großer-Tiger.
»Ein Soldat war er nicht«, antwortete Dämbit, »er war klein und dick und schnaufte. Zu Grünmantel sagte er ›Verehrter Herr‹,
und er trug einen schwarzen Kaufmannsrock, der nicht mehr schwarz war, sondern verschossen.«
»In welche Himmelsgegend fuhr Grünmantel weiter?«, fragte Christian.
»Er fuhr nach Norden.«
»War er bewaffnet?«, wollte Großer-Tiger wissen. Dämbit lachte. »Ihr fragt viel«, sagte er, »aber ich erinnere mich. In der
Wagenhütte, wo die beiden auf einer Bank saßen, lag ein Gewehr.«
»Nur noch eine Frage«, bat Christian, »ich möchte nämlich gerne wissen, um welche Stunde Ihr mit Grünmantel zusammentraft?«
»Die Sonne stand im Mittag«, antwortete Dämbit verwundert, »wozu musst du das wissen?«
»Nur so«, antwortete Großer-Tiger obenhin, »mein Freund Kompass-Berg fragt oft Sachen, um die man sich nicht kümmern muss,
weil sie keine Bedeutung haben.«
»Ach so«, sagte Dämbit.
»Tee trinken«, rief Mondschein, und er füllte Dämbits Schale und tat ein Stück Schafbutter hinein.
Christian nahm die Tasche mit dem Kompass, und Großer-Tiger stand auch auf.
»Wir gehen«, sagte er, »denn wir möchten die Gegend ein bisschen betrachten und alles, was es gibt.«
»Es gibt Nudeln«, sagte Mondschein.
»Ich freue mich«, sagte Christian, und dann stiegen sie hinter dem Zelt den ersten Hügel hinauf, und als sie oben waren, gingen
sie wieder hinunter bis dahin, wo sie niemand sehen konnte, und dort setzten sie sich nieder. Christian holte das Westliche-Blatt
aus der Tasche und für alle Fälle auch den Kompass, und dann sagte er: »Hier ist Möng-Schui und hier ist Hsing-Hsing-Hsia.
Hier sind wir; und vorgestern war Grünmantel zwischen Hsing-Hsing-Hsia und dem Ort, der Fallende-Wand heißt.«
»Wo ist Fallende-Wand?«, fragte Großer-Tiger.
»Ich weiß es nicht, aber es muss wohl hier sein, wo die Berge anfangen. Siehst du diese spitzen Dinger, die aussehen wie eine
Zahnbürste?«
»Ich sehe die Zahnbürste.«
»Die Zahnbürste ist das Zeichen für Felsen, und ganz gewiss ist dort Fallende-Wand, und wenn ich wieder daheim bin, schreibe
ich es den Kartenmachern.«
»Aber jetzt?«, fragte Großer-Tiger, »was ist jetzt?«
»Jetzt ist alles klar«, versicherte Christian. »In diesem Tal«,
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