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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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rührte sich nicht, und die Fahrt durch die Stadt freute keinen mehr. Als sie nacheinander die Besuchskarren des Empfangskomitees
     überholten, winkten sie zwar, und sie lächelten dem Pater Hillbrenner zu, aber es war keine Fröhlichkeit dabei. Der Wagen
     fuhr langsam, und der Weg war weit, denn der Yamen des Gouverneurs lag außerhalb der Stadt in einem von hohen Mauern umschlossenen
     Geviert. Er glich eher einer Festung als einem Regierungspalast. Am Tor standen Wachen und präsentierten. In dem Hof, der
     groß wie ein Sportplatz war, hielt der Wagen mit einem Ruck.
    Wui-Hung-Wen sprang heraus und machte sogleich den Führer. Er ging durch viele Korridore und an vielen Türen vorbei, bis er
     vor einem Hausgarten haltmachte, der nicht anders aussah als der eines beliebigen Bürgers in Peking.
    Unter dem Vordach öffnete Wui-Hung-Wen eine Tür und bat, einzutreten. Ein runder Tisch stand in dem Raum und eine Anzahl niedriger
     Sessel. Aber das Besondere waren zwei große blanke Fensterscheiben, durch die man in den Garten blicken konnte.
    Nach Süden lag er offen. Man sah, wie er sich in einen Park verlor, in dem es einen Bach gab. Der Bach fiel über einen künstlichen
     Wasserfall in einen Teich und plätscherte. Der Teich schillerte grün, eine weiße Kamelhöckerbrücke führte darüber, und schöne
     alte Bäume überragten die Yamenmauer, die man in der Ferne sah. Sie war rot.
    »Nehmt bitte Platz«, sagte Wui-Hung-Wen förmlich. Auf einmal hatte er es eilig, fortzugehen. Unter der Tür drehte er sich
     um. Er hob die weißbehandschuhte Rechte und ließ sie wieder fallen. »Oh, ihr meine armen Freunde«, sagte er, dann war er verschwunden.
    Bevor die Tür zuklappte, sahen Großer-Tiger und Christian wie es sich der Pudel unter dem Vordach bequem machte. Er streckte
     die Beine, legte den Kopf auf die Steinplatten und gähnte faul. Vielleicht hatte er Hunger, dachte Christian.
    Glück blieb betreten stehen. Er nahm die Mütze vom Kopf und warf sie auf den Tisch. Er sagte: »Da habe ich was Schönes angerichtet.
     Wir sitzen in der Patsche, und nur der General Wu kann uns retten.«
    Christian und Großer-Tiger setzten sich. Sie verstanden überhaupt nicht, was vor sich ging. Hatte Dampignak nicht gesagt,
     dass er mit dem Marschall auf freundschaftlichem Fuß stünde, und nun war es auf einmal anders?
    »Macht eure Herzen weit und vergebt mir«, sagte Glück »ich bekenne mich schuldig wegen unbedachten Redens.«
    »Davon kann nicht gesprochen werden«, wandte Großer-Tiger ein.
    »Ich habe einen Brief Dampignaks in der Tasche«, sagte Christian,»auch ohne das Zutun des befehlenden Herrn wäre offenbar geworden, was der dicke General erfahren hat. Es ist ein unverschuldetes
     Unglück.«
    »Der Himmel bewahre uns vor der großen Amtshandlung«, rief Glück entsetzt, »lass den Brief verschwinden. Gib ihn her, damit
     ich ihn verschlucke.«
    »Das Handeln ohne Überlegung bringt Übel«, warnte Großer-Tiger.
    »Nein!«, rief Glück du kennst diese Leute nicht, und dein Großvater kennt sie auch nicht. »Gib den Brief her, es eilt.«
    Er hatte noch nicht ausgesprochen, als Schritte unter dem Vordach laut wurden. Christian griff in die Brusttasche, aber er
     zog die Hand zurück, denn Wui-Hung-Wen riss die Tür auf und salutierte.
    Im Türrahmen erschien die stattliche Gestalt eines Mannes, sehr aufrecht, sehr ruhig und mit einem ganz weißen Bart. Er war
     unscheinbar gekleidet, wie man es in China für richtig hält, wenn man ein Gelehrter oder ein Staatsmann ist oder einer, der
     was auf sich hält. Yang war ein Gelehrter und ein Staatsmann, und dass er was auf sich hielt, sah man an dem sauberen grauen
     Ischang und der schwarzen Seidenjacke. Auf dem kahlen Kopf saß das runde Samtkäppchen, das die Jahreszeit alten Herren vorschrieb.
     Die Augen unter den buschigen weißen Brauen blickten forschend und fast teilnehmend auf Christian und Großer-Tiger, die die
     Fäuste zur Stirn hoben und das Knie zum Fußfall der Verehrung beugten. Glück berührte mit der Stirn den Boden.
    »Wir wollen uns setzen«, sagte Yang und verneigte sich zu einem kurzen Gruß.
    Er tippte Großer-Tiger und Christian auf die Schulter. »Setzt euch, Kinder«, sagte er, »ihr habt viel für mich getan; und
     auch du«, sagte er zu Glück »sollst dich setzen. Ich habe mit euch zu reden.«
    Alle drei sagten: »Wir wagen es nicht«, doch Wui-Hung-Wen rückte Sessel zurecht und machte ein grimmiges Gesicht.
    Sobald der Marschall

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