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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Offenbar war dieses Dorf das richtige,
     und Glück bat Christian, das Westliche-Blatt zu studieren.
    »Hier ist Fu-Kan«, sagte Christian, und die drei Alten nickten.
    »Wie viele Li sind es noch bis zur Hauptstadt?«, wollte Glück wissen.
    »Nicht viel mehr als hundert«, antwortete Christian, »aber es geht den Berg hinauf.«
    Glück staunte. »Du hast einiges dazu gelernt«, sagte er, »und wenn es so ist wie du sagst, kommen wir zu Mittag nach Urumtschi,
     wenn keiner dran denkt.«
    »Der befehlende Herr möge diese Stangen betrachten«, sagte Großer-Tiger, und wies auf die neuen Telegrafenpfähle, die hinter
     den Häusern der Bazarstraße über die Dächer ragten.
    In diesem Augenblick kam ein schwarzgekleideter junger Chinese mit trippelnden Schritten gelaufen. Er grüßte höflich und sagte:
     »Ich freue mich, dass ich die Ankunft des verehrten Herrn Glück und der jungen Exzellenzen soeben dem alten Gebieter melden
     konnte. Der Tupan wird entzückt sein, euch bald zu sehen.«
    Glück schwieg. Man sah ihm an, wie enttäuscht er war; aber der Beamte wunderte sich doch, als Glück nach einer Weile über
     die würdelose Zeit, über die listigen Geräte, die die Menschenverderben und ruhelos machen, über sich selbst und über alle, die sie benützen, zu schimpfen begann.
    »Da ist keine Hilfe«, sagte Großer-Tiger, »man muss sich damit abfinden.«
    »Der befehlende Herr möge sich nicht kränken«, sagte Christian.
    »Wir fahren!«, rief Glück.
    Er bedankte sich bei den drei Alten, und er verneigte sich vor dem Telegrafenbeamten. »Du bist auch so einer«, sagte er, »aber
     du kannst nichts dafür. Vielleicht sehen wir uns bald wieder.«
    Der Beamte war zu verdutzt, um antworten zu können. Er zweifelte an Glücks Verstand, aber Glück klopfte ihm auf die Schulter,
     »Wozu baut ihr eine Telegrafenlinie in dieses Nest?«, fragte er.
    »Sie wird bis Kutschen-Se weitergeführt«, erwiderte der Beamte, »denn die alte Exzellenz wünscht, eine Automobilverbindung
     mit der Hauptstadt einzurichten. Wir leben in einem fortschrittlichen Staat.«
    »Ich weiß«, sagte Glück, »der Oberst Kao-Scheng singt das gleiche Lied.«
    »Wo steckt er denn?«, erkundigte sich der Beamte.
    »Er wird bald eintreffen«, tröstete Glück und warf den Motor an. »Hund, komm her!«, rief Christian.
    Da kam der Pudel, dem einer der Alten eine Schüssel mit Wasser und was zu fressen gebracht hatte, und Großer-Tiger und Christian
     dankten dafür. Sie baten den Beamten, den Männern zu sagen, dass sie dem Ort Fu-Kan ein strahlendes Gedeihen wünschten.
    Hinter Fu-Kan lief die Karrenstraße noch lange am Rand ausgedehnter Schilfwiesen und auf der andern Seite an den Vorbergen
     des Hochgebirges entlang. Unmerklich wandte sie sich in einem großen Bogen nach Süden, und ebenso unvermerkt stieg sie aus
     den Niederungen der Sümpfe auf die Höhe von Urumtschi, die eigentlich ein Tal ist zwischen zwei Gebirgsmauern, die beide auf
     sechstausend Meter ansteigen.
    Maßlos, wie in diesem Land alles ist, war auch die Stadt. Sobald Glück die ersten Gemüse- und Melonenfelder erblickte, fuhr
     erlangsamer. Die Angst vor der eigenen Courage überfiel ihn, und er bekam Lust, auf Kao-Scheng zu warten. Bis zu den ersten
     Häusern, dachte er, werde ich fahren, weiter nicht. Aber die ersten Häuser lagen abseits der Straße hinter Büschen und Bäumen
     und hinter Gräben, die das Wasser auf die Felder leiteten. Noch waren die Bäume unbelaubt. Es ging eben dahin, und man ahnte
     die Stadt nur durch den Dunstschleier, der in den hohen Wipfeln einer Allee hing, die plötzlich anfing und auf einem Platz
     endete, der frei in der Sonne lag.
    Merkwürdige niedrige Gebäude umrahmten ihn im Halbrund. Sie waren neu gebaut, das sah man, und sie waren mit unförmig hohen
     Toren versehen, von denen zwei sperrangelweit offen standen.
    Als Glück diesen Platz erreichte, erkannte er, dass es keinen Ausweg gab. Er begriff nicht, warum es notwendig war, dass eine
     Militärkapelle dastand mit rotweißen Federbüschen auf den Mützen, und weshalb die würdigen Herren, die aufgereiht daneben
     warteten, so ernste Gesichter machten und kein bisschen lächelten. Doch da dröhnte die große Pauke dreimal wie ferner Donnerschlag,
     der Kapellmeister hob den Stab, die Trompeten schmetterten, die Trommeln rasselten, die würdigen Herrn lächelten und verneigten
     sich, Glück zog die Bremse, und der Pudel sprang vom Wagen und bellte.
    Der Empfang war in vollem

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